Latumer Flair in der „Bierschlucht“
Franz-Josef Radmacher hat sich auf die Spuren des Bierbrauers Peter Adam Herken begeben, der 1883 nach Paraguay auswanderte.
Lank-Latum. Dass viele Lanker und Latumer im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert sind und sich größtenteils in Missouri niedergelassen haben, ist bekannt. Die Partnerschaft mit dem Städtchen Loose Creek lässt diesen Teil der Heimatgeschichte bis heute lebendig werden.
Einem ganz anderen Kapitel hat sich Franz-Josef Radmacher im neuen „Bott“ gewidmet. Es geht dabei um den Latumer Peter Adam Herken, der 1883 zwar ebenfalls auswanderte, sich mit seiner Familie allerdings Paraguay als Ziel seiner Träume aussuchte — und dort in einem kleinen Örtchen namens San Bernardino eine Brauerei mit Pension und Gaststätte eröffnete: die Bierschlucht.
Radmacher hat mit dem Beitrag ein Stück weit seine eigene Familiengeschichte aufgearbeitet. Denn die Schwester von Herken, Maria Magdalena Büsgen, war seine Urgroßmutter. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass viele Briefe und Postkarten aus Südamerika erhalten geblieben sind.
Mit diversen Talenten gesegnet war bereits Herkens Vater Johann. Er war Postexpedient in Latum, Gastwirt, Branntweinbrenner und Wegebauer, Mitglied der Bau- und der Schulkommision im Dorf. Er hatte mit zwei Frauen insgesamt 25 Kinder, von denen allerdings die Hälfte schon im Kindesalter starb. Sein jüngster Sohn Peter war zunächst weniger erfolgreich. „Nach der Überlieferung“, so Radmacher, hat er das Bierbrauerhandwerk erlernt, womöglich in Neuss, musste mit einem Geschäft aber Konkurs anmelden.
Paraguay, das nach einem Krieg mit den Nachbarn Brasilien, Argentinien und Uruguay (1864-1870) rund zwei Drittel seiner Einwohner verloren hatte und in der Folge stark um Zuwanderer warb, kam Herken da gerade recht. Entgegen der Werbekampagnen entpuppte sich Paraguay jedoch nicht als das gelobte Land. Heißes Klima, häufige Epidemien und instabile politische Verhältnisse führten dazu, dass viele Einwanderer scheiterten — nicht so Peter Adam Herken.
Die Familie Herken suchte ihr Glück in einem kleinen Tal in der 1881 neu gegründeten Siedlung San Bernardino, wo viele Deutsche lebten. Das Örtchen, rund 50 Kilometer entfernt von Asunción malerisch am Lago Ypacaraí gelegen, entwickelte sich zu einer Art Luftkurort für Reiche. Viele Einwohner der Hauptstadt hatten hier Ferienhäuser — und Herken bekam reichlich Kundschaft. Das in Porzellankrügen gereichte Bier sei „meist sehr trinkbar gewesen“, berichtete ein Landschaftsmaler 1896 in seinem Reisebericht.
Den Briefen und Postkarten aus San Bernardino konnte die Familie Büsgen in Latum entnehmen, wie es den Herkens ergangen war. 1900 besuchte der Sohn Johann, genannt Juan, Herken seine Verwandtschaft in Latum. Zu diesem Zeitpunkt war der Vater schon tot. Die Bierschlucht gab es, Briefen zu Folge, bis mindestens 1998 noch.