Diskussion um Gestaltungsvorgaben Wie viel Schutz brauchen die Dörfer?

Meerbusch · Die Stadt will Bauherren klare Vorgaben machen, wie Häuser aussehen sollen. Kritik kommt aus Bürgerschaft und Politik.

Die Stadt will mit einer Gestaltungssatzung ein einheitliches Ortsbild der Rheingemeinde Nierst langfristig sicherstellen.

Die Stadt will mit einer Gestaltungssatzung ein einheitliches Ortsbild der Rheingemeinde Nierst langfristig sicherstellen.

Foto: Christoph Reichwein (crei)/Reichwein, Christoph (crei)

Nierst und Ilverich gehören zu den dörflich geprägten Stadtteilen in Meerbusch. Die Menschen hier kennen und grüßen ihre Nachbarn, und die landwirtschaftlich geprägten Ursprünge des Siedlungsgebietes lassen sich noch heute im Ortsbild erkennen. Wegen ihrer ruhigen Lage und der im Vergleich etwa zu Düsseldorf erschwinglichen Grundstückspreise sind diese Ortslagen jedoch auch bei Auswärtigen als Wohn- und Baugebiet gefragt. Die Stadtverwaltung will mit einer sogenannten Gestaltungssatzung dafür sorgen, dass dabei der Charakter der Dörfer erhalten bleibt. Das Papier schreibt vor, wie sich neue Gebäude oder Sanierungen und Ausbauten im Bestand in die Umgebung einzufügen haben. In der Politik und der Bürgerschaft stößt dieser Plan jedoch auch auf Kritik.

Für Nierst wurde bereits im November im Planungsausschuss präsentiert, wie die Vorgaben für das Dorf aussehen könnten, im Planungsausschuss am 25. Januar soll diese Satzung gemeinsam mit der für das nahe gelegene Ilverich beschlossen werden. Festgelegt werden sollen die Gestaltungsrichtlinien in Nierst für den Bereich zwischen der Stratumer Straße im Westen und Am Oberen Feld im Osten sowie durch die Werthallee im Norden und Am Siegershof im Süden.

In den Plänen der Stadt ist zu lesen, dass der leiterförmige Grundriss des Dorfes mit zwei parallel verlaufenden Hauptstraßen mit kleineren Verbindungsstraßen dazwischen charakteristisch für den ursprünglich von der Landwirtschaft geprägten sei. Genau dieser Bereich soll durch die Satzung geschützt werden, die Siedlungen westlich der Stratumer Straße hingegen werden nicht in dieser Form geregelt. „Heute lässt die Bebauung in diesem Bereich von Nierst ein ortstypisches Gepräge und einen deutlichen gestalterischen Zusammenhang zwischen den einzelnen Gebäuden erkennen“, heißt es von der Verwaltung.

Häuser sind in der Regel mit ihrer breiten Seite zur Straße orientiert

Bei mehreren Begehungen wurden die Materialien und Proportionen der bestehenden Bebauung als prägende Eigenschaften festgestellt. So sind die Häuser in der Regel breitgelagert – also mit ihrer breiten Seite zur Straße orientiert – und weisen häufig eine Fassade kleiner Klinker auf. Diese wurden traditionell aus dem Lehm der Umgebung gewonnen. Die Dächer sind typischerweise anthrazitfarben oder grau-braun. In einigen Aspekten wie den Dachformen dürften Bestandsgebäude, die nicht der Satzung entsprechen, auch bei Erneuerung erhalten bleiben.

Um dieses Gesamtbild zu erhalten, gibt die vorgelegte Gestaltungssatzung recht enge Vorgaben vor, die bei Neu- und Umbauten einzuhalten sind. Dabei geht es unter anderem um die Farben und Materialien von Dächern und Wänden sowie um Dachformen. Die Verwaltung betont, dass dies nicht aus „irgendwelchen Geschmacksfragen“ begründet ist, sondern „ausschließlich in dem fachlich aus den Merkmalen des Gebäudebestands hergeleiteten Schutz des charakteristischen und traditionellen Erscheinungsbildes des Ortes“. Dabei ist die geplante Satzung keine Richtlinie, sondern eine Vorschrift. Wer gegen sie verstößt, handelt laut Satzungstext ordnungswidrig und riskiert ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro und kann verpflichtet werden, die betreffende Anlage in einen „ortsüblichen Zustand“ umzubauen. Die Berechtigung der Kommune, entsprechende Vorschriften zu erlassen, ergibt sich aus der Bauordnung des Landes.

Dennoch stößt das Vorhaben für Nierst auf vehemente Kritik. In der Sitzung des Planungsausschusses, in dem die Satzung vorgestellt wurde, äußerte Jürgen Peters von Grün-alternativ starke Einwände: „Die Gestaltungssatzung für Nierst ist kleinteilig und überzogen. Das hat den Charakter eines Freilichtmuseums. Das geht nicht.“ Auch für Thomas Gabernig von der FDP geht die Satzung in die falsche Richtung. Sie sei „kleinteilig und hausbacken“, so seine Kritik. Davon unbeeindruckt zeigte sich Hans-Werner Schoenauer von der CDU: „Wir unterstützen die Satzung weiterhin, wir wollen keinen Wildwuchs.“ Ob sie umgesetzt werde, stehe auf einem anderen Blatt. Die Satzung liefere den Fingerzeig, den Architekten brauchen. Die Planungspolitiker beschlossen einstimmig, den Beschluss über die Gestaltungssatzung zu vertagen.

Kritik kommt auch
von Anwohnern

Auch Anwohner sind nicht zufrieden mit den Plänen, die die Verwaltung für Nierst hat. Markus Jungbluth wohnt seit 25 Jahren im von der Gestaltungssatzung betroffenen Teil von Nierst und ist mit dem Vorhaben nicht einverstanden. „Dass es ein einheitliches Bild der Bebauung in Nierst gibt, ist nicht der Fall“, so Jungbluth. Die Gestaltung von Mauerwerk und Dächern sei vielfältiger als in der Satzung dargestellt. Er befürchtet, dass die Gestaltungssatzung für Eigentümer und zukünftige Bauherren hohe Kosten und Wertverluste bedeuten wird. Denn bei der Sanierung müssen Objekte an die Satzung angepasst werden, die Vorgaben für den Neubau würden Käufer abschrecken und die Verkaufspreise senken. Zudem nennt der Nierster den Geltungsbereich der Satzung „willkürlich“. „Die Vermutung liegt nahe, dass der Grund dieses Vorhabens die Angst vor allzu progressiver Bauweise ist“, so Jungbluth. Man wolle, so seine Vermutung, nicht noch mehr Zuzügler, vor allem aus Düsseldorf, anlocken, sondern diese abschrecken. „Das eigentliche Ortsbild von Nierst und Ilverich ist die Vielfalt, die Möglichkeit der freien Gestaltung und der verantwortliche, gemeinschaftliche Umgang mit dem Dorf“, so Jungbluth. Aus den betroffenen Gemeinden haben die Redaktion weitere kritische Zuschriften erreicht.

Denn auch für den Stadtteil Ilverich ist eine Gestaltungssatzung vorgesehen, die ebenfalls dafür sorgen soll, dass neue oder umgebaute Gebäude sich in die örtlichen Strukturen einfügen. Auf diese Weise hat die Stadt eine Handhabe gegen Bauherren, die anders planen. Ob sich für diese beiden Vorhaben eine politische Mehrheit findet, wird sich in der Sitzung des Meerbuscher Planungsausschusses zeigen.

Für diese Sitzung liegen jedoch Anträge der Fraktionen der Grünen, Grün-alternativ sowie Der Fraktion vor. Diese fordern, den betreffenden Tagesordnungspunkt zu vertagen. Bündnis 90 verweist darauf, dass man grundsätzlich eine Gestaltungssatzung zum Schutz der gewachsenen Dorfstrukturen befürworte, die Fraktion spricht sich aber für „weniger Festlegungen“ aus. Grün-alternativ und die Fraktion betonen, dass es bereits für Osterath eine – weniger strenge – Gestaltungssatzung gebe, hiervon aber regelmäßig Ausnahmen diskutiert und auch zugelassen wurden, woraufhin beschlossen wurde, dieses Papier zu überarbeiten. Bevor eine Entscheidung über die möglichen Gestaltungssatzungen für Nierst und Ilverlich getroffen wird, soll dort eine Bürgerbeteiligung stattfinden, damit der Wille der Einwohner in den politischen Beschluss einfließen kann.