Meerbuscher zum zehnten Mal bei Olympia
Laci Perenyi fotografiert seit 40 Jahren. Als Schwimmer blieb ihm ein Start bei den Spielen verwehrt. In Rio ist er als Sportfotograf wieder dabei.
Wer weiß, welchen Weg Laci Perenyis Karriere genommen hätte, wenn das Nationale Olympische Komitee nicht im Mai 1980 entschieden hätte, die Olympischen Spiele in Moskau zu boykottieren. Perenyi wäre vielleicht ein noch erfolgreicherer Schwimmer geworden. Er wäre womöglich ein Star im Becken geworden — und nicht als ein stiller Betrachter durch die Linse. In wenigen Wochen wird der gebürtige Slowake von Meerbusch aus nach Rio de Janeiro aufbrechen um seine nunmehr zehnten Olympischen Spiele zu fotografieren. Die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich vor wenigen Wochen hat er ebenso wie die letzte Weltmeisterschaft in Brasilien ebenfalls das zehnte Mal fotografiert. „Es gibt wohl niemanden, der so viele sportliche Großereignisse fotografiert hat wie ich“, sagt Perenyi.
Die Spiele von Rio — sie sind die Krönung einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte: Am 3. August 1955 wurde Perenyi in Preßburg in der Slowakei geboren. 1968, beim Einmarsch der Russen in der CSSR mit dem Prager Frühling, flüchtete er mit seiner Mutter über Wien nach Düsseldorf. Er lernte dort schnell die deutsche Sprache. Als Laci Perenyi 15 Jahre alt war, fragte ihn sein Sportlehrer, ob er an einem Wettkampfschwimmen teilnehmen wolle. Das war die Initialzündung für Perenyis erste Karriere als Schwimmer. Er wurde Leistungsschwimmer, 1973 schwamm er deutschen Rekord über 200 Meter Rücken, wurde in die B-Nationalmannschaft berufen. 1976 zu den Olympischen Spielen hätte er große Chancen auf die Teilnahme gehabt, sagt Perenyi. „Aber damals ist Deutschland wegen der Ölkrise mit dem kleinsten Olympiakader aller Zeiten angereist. Ich habe die Teilnahme knapp verpasst.“ Vier Jahre später — eine neue Chance auf Olympia, doch damals boykottierte Deutschland eben die Spiele in Moskau. Der Schwimmer Perenyi war wieder nicht dabei.
Es erwies sich als Segen, dass Perenyi schon ab dem Jahr 1974 neben dem Leistungsschwimmen einen Beruf ergriff. Für die Düsseldorfer Fotoagentur Horstmüller war er unterwegs, fotografierte Sportereignisse. Seine Bilder erschienen in Stern, Spiegel, Quick. Beim Nationalen Olympischen Komitee akkreditierte er sich also für die Olympischen Spiele 1980, jenes Ereignis, an dem er wegen eines Boykotts selbst nicht als Sportler teilnehmen durfte. Im Alter von 25 Jahren war er plötzlich professioneller Sportfotograf und fotografierte in jenem Russland, vor dem er 1955 in seiner Heimat geflohen war. Goldene Zeiten waren es in den Folgejahren für Perenyi, der aus seiner sportlichen Karriere für die Fotografenlaufbahn viel gelernt hat — Disziplin natürlich, aber auch menschlichen Umgang. Er habe die berühmten Sportler stets mit Nachnamen angesprochen. „Man muss Respekt vor dem Sportler haben“, sagt der Meerbuscher, der später enger Vertrauter von Schwimmstar Michael Groß wurde, mit Sportgrößen wie Ulrike Meyfarth und Heike Henkel Kontakt hat. Bei einer Ausstellung seiner Bilder 2013 im Olympiamuseum in Köln waren viele seiner Wegbegleiter dabei: Schwimmer Mark Warnecke, IOC-Mitglied Walter Tröger, Heike Henkel, Michael Groß.
Der Sport an sich interessiert Perenyi nicht als Fan. Als er kürzlich in Frankreich bei der Europameisterschaft fotografierte, da fieberte er nicht mit dem deutschen Team. „Der Deutschland-Sieg gegen Italien war mir egal. Aber je weiter Deutschland kommt, desto mehr Bilder kann ich verkaufen“, sagt Perenyi. Vom drumherum sei das 1992 in Schweden das schönste Fußballturnier gewesen. Deutschland verlor im Halbfinale und Perenyi viel Geld. Für die Bunte hatte er ein Sonderheft mit 54 Seiten fotografiert — wäre Deutschland Europameister geworden, hätte sich das Heft wie geschnitten Brot verkauft.
Der Druck auf die Fotografen ist mit Einführung der digitalen Fotografie um ein vielfaches gewachsen. „Der Markt ist kaputt, er überschlägt sich mit Fotos“, sagt Perenyi. Auszeichnungen seien es, die ihn jetzt anspornen, weniger die Masse an Bildern. Ihn störe, dass Fußballstadien mittlerweile Werbearenen seien. Wenn eine Werbetafel in seinem Bild zu sehen ist, sei das ganze Bild kaputt. Gerade deshalb sei das Tennisturnier in Wimbledon für ihn so schön zu fotografieren. „Eine werbefreie Tennisarena, ein Traum.“
Perenyi geht jetzt dazu über, seine Profession als Kunstform zu begreifen. Er sucht nach außergewöhnlichen Perspektiven und Szenen. „Ich versuche, Gemälde zu fotografieren“, sagt Perenyi. Bei den Sommerspielen in London 2012 stellte er eine Kamera unter das Dach des Stadions und fotografierte die Athleten von oben. Mehrfach hat er Preise gewonnen, das Sportfoto des Jahres 1996 und 2012 geschossen, den Lea Award und den Sven-Simon-Preis erhalten. Im Düsseldorfer Museum K21 hat eines seiner Sportbilder bei einer Auktion für 4000 Euro den Besitzer gewechselt. „Ich finde es schade, dass die Sportfotografie nicht zum Genre Kunst gezählt wird. Fotografen wie Struth oder Gursky können sich lange überlegen, welches Motiv sie fotografieren wollen. Für uns Sportfotografen zählt nur der Moment.“ Am 1. August fliegt er gen Rio — dann beginnt wieder der Stress. Perenyi sagt: „Ich will es nicht anders, aber im zweiten Leben werde ich Ersatzspieler bei Bayern München.“