Meerbuschs französische Seite
Im Vorfeld der Tour de France stellen wir in loser Folge Franzosen in Meerbusch vor. Zum Auftakt: Bistro-Betreiber Olivier Macé.
Zwischen den Menschen, die in der Normandie und im Rheinland leben, sieht Olivier Macé keinen großen Unterschied. „Es passt wie Grün auf Grün“, sagt er. Damit will der Patron des seit 2004 in Büderich ansässigen Bistro-Restaurants Haus Meer sagen: „Sie passen zusammen, haben ein ähnliches Temperament.“ Aber nicht alles stimmt überein: „Meinem Vater hätte es hier gefallen. Er liebte die Pünktlichkeit.“ Darüber hat sich der Sohn, heute Mitte 50 und seit 2000 in Meerbusch lebend, bei seinem ersten Kontakt mit Deutschland 1982 keine Gedanken gemacht. Jetzt aber, da die Verbindung zu seiner Heimat durch das Freundschaftsjubiläum zwischen Fouesnant und Meerbusch und den Grand Départ so aktuell ist, erinnert sich Olivier Macé an seinen Start im Rheinland.
Das Abitur in Frankreich hatte er geschafft, aber um sich für ein Studium zu entscheiden, brauchte der junge Mann Zeit. „Die verbrachte ich in einer Klosterschule in Xanten“, erzählt Macé. Aus dem Studium wurde dann aus familiären Gründen nichts: „Ich musste Geld verdienen.“ Immerhin sagt er heute: „In der Zeit in Xanten habe ich die Musik der deutschen Sprache kennengelernt.“
Das konnte er gut gebrauchen, als er schließlich am 6. Juni 1989 mit 23 Jahren trampend und ohne einen Pfennig in Düsseldorf ankam. Ziel war die Düsseldorfer Kunstakademie, wo er sich bewerben wollte: „Das war das Mekka der Kunst, so wichtig wie Real Madrid im Fußball.“ Macé hatte nur einen winzigen Koffer dabei — „den habe ich heute noch“ — und lieh sich in der Mensa ein Essen-Ticket, das 2,15 D-Mark wert war. In diesem Umfeld lernte er vollkommen mittellos auch die heute hochgelobten Katharina Grosse und Andreas Gursky kennen. Joe Brockerhoff gehört ebenfalls in diesen Kreis.
Macé jobbte damals als Tellerwäscher in Roberts Bistro am Hafen. „Robert Hülsmann ist mein Mentor, mein Vater, wir haben noch heute engen Kontakt“, sagt er, der auch im legendären Simplicissimus bei Hajo Vogt arbeitete: „Ich habe viel Geld verdient und einiges nach Hause geschickt.“
Zu Hause, das ist Saint-Hilaire-Harcouet, eine kleine Gemeinde im Département Manche der Region Normandie. „Dort rauschten die Fahrer der Tour unter unserem Küchenfenster vorbei“, erinnert sich Olivier Macé an die Vorbereitungen und die Aufregung. Seine 80-jährige Tante hat während einer Tour-TV-Übertragung zum ersten Mal das Meer gesehen und als Bäuerin lakonisch festgestellt: „Das ist nutzloses Land.“
Die Tour war nicht nur Sport. „Sie hat das Heimatland ins Wohnzimmer gebracht“, sagt Macé. Mit seinen Kindern besucht er seine Mutter regelmäßig und versucht, „eine Brücke zwischen Frankreich und Deutschland zu schlagen“.
Die 50 Jahre anhaltende Freundschaft zwischen den Bretonen in Fouesnant und den Rheinländern in Meerbusch findet Olivier Macé ebenso fantastisch wie die Durchfahrt der Fahrer der Tour de France am 2. Juli durch Büderich. „Aber dass sie nicht am Bistro vorbeifahren, ist sehr, sehr schade“, sagt er.