Pfarrer-Paar verlässt Meerbusch
Ute und Gerhard Saß wechseln nach Hückelhoven. Aus dem evangelischen Meerbusch sind die Seelsorger und Gemeindemanager, die 1994 in die Stadt kamen, kaum wegzudenken.
Im Meridias-Pflegeheim sind einige Bewohner traurig. „Sie hat uns Kraft gegeben, war immer ansprechbar und sehr optimistisch“, sagt eine ältere Dame. Ein paar Stühle weiter sitzt die Frau, für die das Lob bestimmt ist: Pfarrerin Ute Saß. Schlohweißes Haar, dezente Brille und ein Lachen im Gesicht, das seinesgleichen sucht. Nicht nur hier werden sie die 57 Jahre alte Pfarrerin von Lank-Latum, Strümp, Bösinghoven, Langst-Kierst, Ilverich und Nierst vermissen. Morgen nimmt sie in der Versöhnungskirche Abschied von ihrer knapp 5000 Köpfe zählenden Gemeinde. Eine Woche später wiederholt sich das in Osterath, wo ihr Mann Gerhard eine halbe Stelle inne hat.
Ute Saß, Pfarrerin
„Die Saß“ beginnen noch einmal neu und wechseln auf zwei volle Pfarrstellen nach Hückelhoven. „Es hat mich als Kind des Ruhrgebiets gereizt, an einen Ort zu gehen, der vom Bergbau geprägt ist“, sagt die Protestantin, die Kindheit und Jugend in Castrop-Rauxel und Unna verbrachte. Der Abschied von Meerbusch fällt ihr und ihrem Mann nicht leicht. Rund die Hälfte ihres Berufslebens haben die beiden hier verbracht. In einer Stadt, in der das Gros der evangelischen Bürger Wurzeln außerhalb des Rheinlandes hat. „Viele Ältere stammen aus dem Osten. Und viele Jüngere stammen aus Familien, wo das zumindest für die Großeltern gilt“, sagt Gerhard Saß und schmunzelt darüber, „dass Strümp bislang nur einen evangelischen Schützenkönig hatte“.
Es waren prägende Jahr in Meerbusch. Die beiden engagierten Christen haben Menschen getroffen, getröstet, ermuntert und angeleitet, den Glauben zu entdecken. Krabbel-Gottesdienste, Männerfrühstücke, Seniorenarbeit, Konfirmanden: Zu tun gab es immer was. Und wenn es ganz eng kam, wurde einem Gemeindeglied auch mal Geld geliehen. „Unsere vier Kinder wurden hier groß, das schafft zusätzlich Wurzeln“, sagt Ute Saß.
Und warum packt man dann die Talare in die Koffer und zieht von dannen? „Weil wir in Hückelhoven in einer Gemeinde arbeiten können und das auf zwei vollen Stellen. Ein bisschen denke ich dabei auch an meine Rente“, sagt Gerhard Saß.
Der promovierte Theologe stammt aus einem protestantischen Elternhaus. „Mein Vater leitete das Predigerseminar in Bad Kreuznach. Als er dann in den 1960er Jahren nach Bad-Godesberg ging und dort als Pfarrer eine neue Gemeinde aufbaute, war unser Wohnzimmer irgendwie auch ein großer Gruppenraum“, erinnert er sich. Ganz so hat sich das in Meerbusch nicht wiederholt. „Mit der Strümper Versöhnungskirche verfügen wir ja über ein gutes Zentrum“, sagt Ute Saß, die schon als Jugendliche alles interessierte, „was mit Gott und der Welt zu tun hat“.
Viel hat sich seit den Zeiten der „Teestuben-Kultur“ in den 1970er und 1980er Jahren verändert. Das haben die beiden Pfarrer auch in Meerbusch bemerkt. „Beziehungsprobleme, Orientierungslosigkeit und ein enormer Druck in der Arbeitswelt“, nennt Ute Saß. Standen bei der Vorbereitung des Adventsgottesdienstes für Kinder noch acht oder zehn Mütter „Gewehr bei Fuß“, ist das heute anders, weil immer mehr Frauen nach relativ kurzer Zeit in ihre Jobs zurückkehren. „Es ist aber nicht nur ein Frauenthema, sondern genauso eins für die Männer“, sagt die Pfarrerin.
Auf Hückelhoven schauen die beiden mit Vorfreude: „Eine tolle Chance, ein Jahrzehnt vor der Pensionierung noch einmal ein neues Projekt anzugehen und das als Ehepaar Hand in Hand tun zu dürfen.“