Schwerkranker wird zuhause nicht versorgt
Seit 2007 haben Patienten einen gesetzlichen Anspruch darauf, daheim palliativmedizinisch versorgt zu werden. Doch was ist, wenn sich kein Arzt für einen Hausbesuch findet? Ein Fall aus Meerbusch.
Zwei Drittel aller Menschen in Deutschland wollen zu Hause sterben. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der DAK-Krankenkasse. Diesen Wunsch hat auch ein krebskranker 72-jähriger Meerbuscher, der von seinem Freund Johannes Cursiefen, ebenfalls aus Meerbusch, in der letzten Lebensphase begleitet wird. Dass dies schwierig sein kann, musste dieser an einem der letzten Wochenenden erlebten. So habe er vergeblich versucht, einen ärztlichen Hausbesuch zu organisieren. „Neben Fassungslosigkeit stellt sich im Nachhinein die Frage nach einer Mitteilung an die Ärztekammer und einer Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung“, sagt Cursiefen, der Rechtsanwalt ist.
Namen nennt er nicht — schildert den Fall aber so: Nach erfolgter Tumortherapie sei der Freund unter der Woche aus dem Krankenhaus entlassen worden, ohne in das System der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) aufgenommen zu werden. Dabei geht es darum bei Schwerstkranken und Sterbenden Schmerzen und Symptome zu lindern. Im Fall des Freundes von Johannes Cursiefen waren am Wochenende die Schmerzen so groß, dass sie gemeinsam versucht hätten, einen Arztbesuch zu Hause zu organisieren. „Das war aber unmöglich, da sich meist nur eine Anrufbeantworteransage meldete“, berichtet Johannes Cursiefen. „Und der Arzt, den wir über den hausärztlichen Notdienst erreichen konnten, war nicht zu einem Hausbesuch bereit.“ Dieser habe lediglich telefonisch eine Medikation anraten wollen.
Auch am Montag und Dienstag sei keiner der kontaktierten Ärzte bereit gewesen, den schwerstkranken Patienten zu Hause zu behandeln. So sei die Fahrt von der Praxis zur Wohnung zu weit oder die Behandlung nicht möglich, weil er zuvor nicht von diesem Arzt untersucht worden war und die Übernahme zu zeitintensiv gewesen wäre.
Johannes Cursiefen, Anwalt
„So musste er gegen seinen Willen wieder in stationäre Behandlung“, erklärt Cursiefen. „Offenbar tut man sich in Meerbusch mit der Umsetzung des gesetzlichen Anspruchs auf ambulante palliative Versorgung schwer.“ Dieser gesetzliche Anspruch besteht zwar, „allerdings muss diese spezielle Versorgung erst von einem Arzt verordnet und von der Krankenkasse genehmigt werden“, erklärt Rainer Franke, Sprecher der Ärztekammer Nordrhein. Deshalb sei die enge Absprache mit dem Hausarzt besonders wichtig. Das hebt auch Heribert Wirtz, Vorsitzender des Vereins Hospizbewegung Meerbusch und selbst Hausarzt, hervor.
Doch in dem von Johannes Cursiefen geschilderten Fall hat dieser offenbar nicht entsprechend reagiert. „Der Hausarzt ist schon sehr alt und sitzt in Düsseldorf. Er nimmt keine Besuche mehr vor“, so Cursiefen. Der habe aber immerhin am Dienstag mit der Verschreibung von Morphiumtropfen geholfen. „Offenbar ist in diesem Fall leider einiges schief gelaufen“, sagt Heribert Wirtz. „Sowohl das Krankenhaus als auch der Hausarzt und der ärztliche Notdienst hier in Meerbusch hätten besser handeln können.“ Grundsätzlich komme dies in und um Meerbusch aber selten vor: „Eigentlich ist die palliativmedizinische Situation hier gut“, sagt Wirtz. Das bestätigt auch Heiko Schmitz, Sprecher der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein: „Derzeit nehmen an der AAPV im Rhein-Kreis 49 fortgebildete Haus- und Fachärzte und zwölf Palliativmediziner teil, die auch eine 24-Stunden-Rufbereitschaft gewährleisten.“
Vielen Angehörigen und Freunden, die Sterbende pflegen und begleiten, wäre damit geholfen, besser Bescheid zu wissen. Das sagt auch Johannes Cursiefen: „Wie die Aufnahme in die gesetzlich garantierte palliative Versorgung abläuft oder was man in solchen Notfällen tun muss — darüber wären Informationen wichtig.“ Im Fall seines Freundes steht mittlerweile die Aufnahme in die AAPV an. Cursiefen hofft, dass er so in seinen letzten Lebensmonaten bestmöglich versorgt werden kann.