Strümper erschafft kinetische Skulpturen

Helmut Baur hat bereits das Apollo-Theater in Düsseldorf mit seiner Kunst ausgestattet.

Foto: Anne Orthen

Der Zugang führt nur über einen schmalen Weg. Wer aber dann das verwunschen gelegene Haus und Helmut Baurs Atelier-Werkstatt in Strümp betritt, hat das Gefühl, in eine verzauberte Welt versetzt worden zu sein. Wie von Geisterhand in Schwung gesetzt bewegen sich in gläsernen Behältern kleine Schaufeln, Tüllen oder feine Draht-Elemente, häufen sich Sandberge auf, drehen sich Walzen und Rechen, werden mit leisem Klick und Klack unentwegt Botschaften in Quarzsand geschrieben.

Knapp 130 dieser visionär kinetischen Maschinen als Boden- oder Tischplastik hat Baur bisher entstehen lassen. Jetzt zeigt er auf ein neues Werk mit vier surrealistisch anmutenden Stilelementen und sechs pendelnden, unter anderem aus Halbedelstein geformten Kugeln. „Diese Skulptur stellt durch ihr Bewegungsgefüge mit vier Segment-Rädern und einem außen angebrachten Keilriemen in ihrer faszinierenden Gesamtheit etwas ganz Besonderes dar“, sagt der freischaffende Kinetik-Künstler.

Mehr als zwei Monate sitzt der Tüftler — gelernter Werkzeugmacher und studierter Elektrotechniker — an einem derart komplizierten Werk. Dem 80-Jährigen ist es wichtig, mit seinen Skulpturen dem Betrachter „innere Ruhe zu vermitteln und etwas zum Klingen zu bringen.“ Diese Eigenschaften hat sich unter anderem das Apollo-Theater in Düsseldorf zunutze gemacht.

Die Skulptur ist nicht nur ein Hingucker, sie stellt einen idealen Kontrast zum rasanten Varieté-Programm dar. Auch die neueste Arbeit bekommt ihre Faszination aus der kontinuierlich entstehenden Schrift, die immer wieder gelöscht und aufs Neue in den Sand geschrieben wird.

Helmut Baur denkt lange über die Text-Aussage nach, sie ist manchmal auch ein wenig politisch oder kritisch und soll „immer Bestand haben“. Erst wenn er sich sicher ist, fertigt er die Buchstaben aus Messing an und klebt sie auf verzinktes Eisenblech. Die Walze der neuen Skulptur schreibt „Lehrling ist Jedermann“ in den Sand. Dazu Helmut Baur: „Kein Mensch weiß alles und jeder kann immer noch etwas dazulernen.“

Der Kinetik-Tüftler beschäftigt sich seit Anfang der 1960er Jahre mit dieser Kunst. Aber noch heute wird alles bis ins kleinste Detail durchdacht: „Beim Bauen kommen immer neue Ideen, die ich umsetze. Das ist meine künstlerische Freiheit“, sagt er. Sein Materialvorrat — Stahl, altes Holz und Quarzsand von der Insel Rügen — reicht noch für viele Skulpturen. Abfallende Materialstücke hebt Baur auf.

Sie wirken ebenfalls wie Kunst, und deshalb gibt es so manchen Besucher, der sich ein „Abfallprodukt“ mitnimmt. Der Kinetiker arbeitet täglich in der Werkstatt im Keller. Dort verursachen allerdings Winkelschleifer, Brandschneider, Schweißanlage oder Stichsäge auch allerhand Staub: „Unerfahrene dürfen die Maschinen nicht bedienen.“

Aber Bestaunen darf die fertigen Kinetik-Skulpturen jeder. Einige der Werke wurden in Ausstellungen auch in Italien, Holland oder England gezeigt. Museen im baden-württembergischen Künzelsau, Ribnitz-Damgarten auf dem Darß und in Shakespeares Geburtsort Stratford-upon-Avon haben Skulpturen aus Strümp angekauft.

Wer sich in Helmut Baurs Atelier-Werkstatt umsehen möchte, kann unter Telefon 02159/80100 einen Termin mit dem Künstler vereinbaren.