NRW Wer hat den schönsten Vorgarten?

Meerbusch · Die Verwaltung will Meerbuscher Bürger mit einem Wettbewerb animieren, Klimaschutz vor der eigenen Haustür zu betreiben. Denn die Politik kann die beliebten Steingärten nicht verbieten. Obwohl diese schlecht fürs Stadtklima sind.

Heimische Blumen, Stauden und Gehölze bieten Bienen, Schmetterlingen und Insekten jeder Art wertvollen Lebensraum.

Foto: Martina Reidl

Grau statt grün, Pflaster und Schotter statt Blumen und Gras. Was so mancher Bauherr und Hausbesitzer in seinem Vorgarten praktisch und schick findet, ist für Naturschützer eine Katastrophe. Gerade im Sommer speichern versiegelte Flächen die Hitze und sind schlecht fürs Stadtklima. Dennoch gibt es auch in Meerbusch immer mehr „Schottergärten“.

Die Stadt Meerbusch will dem Trend zu Schotter und Kies im Garten nicht allein mit den begrenzten Mitteln der Bauordnung begegnen. „Wir wollen nicht drohen, sondern vielmehr Freude an einem schön bunten und lebendigen Vorgarten wecken“, sagt Stadtsprecher Michael Gorgs. „Schließlich ist der Vorgarten die Visitenkarte eines jeden Hauses und verrät auch viel über die Bewohner.“ Um die Meerbuscher zum Klimaschutz vor dem eigenen Haus zu animieren, hat die Stadt jetzt erstmals den Wettbewerb „Meerbuschs Vorgärten des Jahres ausgeschrieben“.

Denn die versiegelten Flächen gelten als ökologisch wertlos und mikroklimatisch bedenklich. Durch das Fehlen von Pflanzen wird weder Sauerstoff produziert, noch Feinstaub gebunden. Im Sommer strahlen die „Steinwüsten“ die Hitze in die Umgebung ab. Wenn unter Kies und Schotter obendrein eine Vliesschicht liegt, geht auch der Boden als Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren. Gorgs: „Entgegen landläufiger Auffassung sind Schottergärten auch gar nicht so pflegeleicht: Zwischen den Steinen setzen sich Samen fest, Unkraut sprießt, totes Laub und Dreck sammeln sich.“

Solche Schottergärten sind scheinbar praktisch, aber ökologisch wertlos.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Die Meerbuscher sollen nun zeigen, dass es auch anders geht. „Ein Vorgarten mit heimischen Blumen, Stauden und Gehölzen bietet Bienen, Schmetterlingen und Insekten jeder Art wertvollen Lebensraum und verlangt viel weniger Pflege als manche vermuten“, sagt Michael Betsch, als Bereichsleiter der Stadtverwaltung unter anderem verantwortlich für die städtischen Grünanlagen. „Selbst kleine Grünflächen speichern Feuchtigkeit und sind wichtig fürs Mikroklima. Ganz nebenbei schaffen sie als Mini-Ökosystem mehr Lebensqualität für Mensch und Tier.“ Viele Insekten seien vom Aussterben bedroht, weil sie in unserer Kulturlandschaft keine Nahrung mehr finden. Hier könne der Menschen mit verhältnismäßig einfachen Mitteln Abhilfe schaffen. Betsch: „Schon ein kleines Beet mit Blumen und Kräutern kann für Insekten und Vögel ein Paradies sein.“

Fotos aus unterschiedlichen Blühphasen einsenden

So funktioniert der Wettbewerb: Bis zum 15. September 2021 haben die Teilnehmer Zeit, eine E-Mail mit zwei bis drei aussagekräftigen Fotos, die Gestaltung und Charakter des Vorgartens dokumentieren, an die Adresse gartenfreude@meerbusch.de zu senden. Die Fotos – gerne aus verschiedenen Blüh-Phasen des Sommers – sollten jeweils 2 bis 3 Megabyte groß sein. Ein kurzer erklärender Text soll die Bewerbung abrunden. „Dann noch den vollständigen Namen und Adresse hinzufügen, und es kann losgehen“, so Gorgs. „Wir hoffen auf viele Einsendungen.“ Eine Fachjury um Bürgermeister Christian Bommers wird die Bewerbungen sichten, nach Insektenfreundlichkeit, Naturnähe und Vielfalt bewerten und die Gewinner auszeichnen.

Die vier großen Meerbuscher Gartencenter Bogie, Selders, Jentjens und Wantikow unterstützen den Wettbewerb und haben spontan Sponsoring zugesagt. „Sie waren sofort begeistert“, berichtet Sprecher Michael Gorgs. Die Besitzer der vier schönsten Vorgärten bekommen Einkaufsgutscheine der Gartencenter im Wert von je 250 Euro.

Auf weitere Teilnehmer wartet moderne Fachliteratur mit Tipps und Pflanzempfehlungen zur naturnahen Gartengestaltung. Info-Material der Stadt zum Wettbewerb liegt ab sofort in den Bürgerbüros und öffentlichen Einrichtungen der Stadt sowie bei den Gartencentern aus.

Die Meerbuscher Politik hat das Thema Steingärten bereits seit 2019 auf der Agenda. So sollte die Verwaltung beispielsweise Möglichkeiten prüfen, wie bei künftigen Bauvorhaben verhindert werden könne, dass die Vorgärten versiegelt werden. Das Ergebnis der Verwaltung war dann für viele Politiker ernüchternd: Laut Bauordnung NRW könne zwar „die Begrünung baulicher Anlagen geregelt werden“. Diese Normen würden jedoch keine rechtliche Grundlage bieten, „um eine naturnahe Gestaltung von Vorgärten stadtweit rechtssicher regeln zu können“, so die Erklärung der Verwaltung. Bei bestehenden Gärten sei man sowieso machtlos. „Jeder Hausbesitzer kann seine Wiese ohne Baugenehmigung in eine Steinfläche umwandeln“, erklärte Technischer Dezernent Michael Assenmacher. Zudem könne die Stadt keine Mitarbeiter herumschicken, die die Gärten der Bürger kontrollierten.

Gestaltungssatzung würde in Gestaltungsfreiheit eingreifen

Eine Gestaltungssatzung für ganz Meerbusch zu erlassen sei auch deshalb schwierig, weil jedes Gebiet und teilweise jede Straße „ein eigenes Gesicht“ hätten. „Ein Villen-Vorgarten ist nicht vergleichbar mit dem eines Reihenhauses.“ Außerdem greife eine solche Gestaltungssatzung in die Eigentumsfreiheit ein – zu der auch die Gestaltungsfreiheit gehört. Gespräche mit Nachbarkommunen, die auch Probleme mit Steingärten haben, hätten ergeben, dass eine flächendeckende Satzung kaum umsetzbar sei.

Stattdessen wurde schon damals beschlossen, auf die Einsicht der Bürger und deren Umweltbewusstsein zu setzen. Speziell bei Bauabnahmen achtet das Bauamt mittlerweile zudem verstärkt auf die Grüngestaltung, um Steinvorgärten zu vermeiden. Die Politiker kritisieren jedoch, dass es – etwa im Gewerbegebiet Bundenrott – immer noch zu viele asphaltierte Vorflächen gebe.