1933 eine Würdigung des Steigbügelhalters Hitlers

Neuss. Jens Metzdorf, Leiter des Neusser Stadtarchivs, zur Reizfigur Paul von Hindenburg.

WZ: Reizfigur Paul von Hindenburg: Erst Tannenberg-Held, Identifikationsfigur der Konservativen, am Ende seniler Reichspräsident?

Jens Metzdorf: Nein, der vermeintliche „Held“ des Ersten Weltkrieges entzog sich bereits als Generalfeldmarschall bei Kriegsende seiner Mitverantwortung für die militärische Niederlage und schob diese den auf Frieden drängenden Politikern zu. Durch diese „Dolchstoß-Legende“ wurde er erst zur Identifikationsfigur der national-konservativen Kreise, denen die demokratische Republik von Anfang an verhasst war. Im Übrigen ist in der Forschung völlig unstrittig, dass Hindenburg als Reichspräsident keineswegs entscheidungsunfähig war, sondern viel mehr seit seiner Wahl 1925 aktiv und bewusst auf die Zerstörung der demokratischen Verfassung und der Republik von Weimar hinwirkte, die er schließlich mit der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler auch erreichte.

WZ: Der Kulturausschuss hat bereits erkennen lassen, dass er für eine Umbenennung ist. Nun wird in Holzheim diskutiert. Wie ist Ihre Haltung als Historiker?

Metzdorf: Die „Rück“-Benennung ist eine Frage, die von der Politik in Abstimmung mit den Holzheimer Bürgern getroffen werden sollte. Für den Historiker steht allerdings völlig außer Frage, dass die eigentliche Umbenennung des historischen Holzheimer Schulplatzes in Hindenburgplatz 1933 eine demonstrative Würdigung Hindenburgs als Feind des demokratisch verfassten pluralen Systems und als Steigbügelhalter Hitlers war. Es wäre daher wünschenswert, wenn in einer Gemeinde mit ausgeprägtem historischen Bewusstsein wie Holzheim dieser Sachverhalt breit diskutiert würde und dies nicht nur in der Politik, sondern gerade auch in den Schulen, wo heute gerne die Frage der Vorbilder in der Gesellschaft thematisiert wird.

WZ: Nach der Umbenennung der Carl-Diem-Straße wäre das die zweite Änderung. Sehen Sie weiteren Diskussionsbedarf?

Metzdorf: Es ist nicht meine Aufgabe, hier einen konkreten gesellschaftlichen Bedarf anzumelden. Zur demokratischen Geschichtskultur einer Stadt gehört, dass sich die hier lebenden Menschen stetig, kritisch und unverkrampft mit ihren Geschichtsbildern und Traditionen auseinandersetzen. Erst daraus erwachsen schließlich sowohl der Stolz auf die Heimatstadt wie auch die Kritikfähigkeit, welche uns fit für ein zukunftsgerichtetes Handeln machen. Straßennamen sind in diesem Prozess nur ein Feld unter vielen — zweifellos aber ein für alle Bürger ebenso spannendes wie populäres.