Abstimmung über Schenkung offen

Es zeichnen sich keine klaren Ratsmehrheiten für oder gegen Annahme der Schenkung und Museumsanbau ab.

Neuss. Über Annahme oder Ablehnung der Jugendstilschenkung entscheidet am Freitag möglicherweise eine Stimme. Denn quer durch die Fraktionen scheinen die Lager der Befürworter wie der Gegner fast gleich groß. Und alle Fraktionen haben ihren Mitgliedern freigestellt, wie sie abstimmen. Kommt es zum Patt zwischen den 68 Stadtverordneten, wird es trotzdem eine Entscheidung geben. Denn Bürgermeister Reiner Breuer als Vorsitzender wird sich nicht enthalten.

Lehnt der Rat die Schenkung und damit die Museumserweiterung ab, bedeutet das aus Sicht von Breuer nicht, „dass Neuss im kulturpolitischen Nirwana endet“. Er werde dann unter dem Motto „Kulturdialog“ die Weiterentwicklung der bestehenden Einrichtungen in den Blick nehmen. Auch Waltraud Beyen (CDU) denkt über die Ratssitzung am Freitag hinaus. Kommt es zu einem positiven Votum, dürfe sie als Stadtverordnete zwar kein Bürgerbegehren initiieren, sagt sie. Aber sie werde jede Anstrengung unterstützen, die diese Millionenausgabe aufzuhalten versucht.

Beide Entwicklungen sind möglich, denn es wird knapp. Die SPD (19 Stadtverordnete) spricht sich mehrheitlich gegen eine Annahme der Schenkung aus. Wie groß diese Mehrheit ist, sagt der Vorsitzende Arno Jansen nicht. Er wolle „taktischen Spielchen“ keine Nahrung geben, sagt er. Bei der FDP (7) zählt die Gruppe der Befürworter einen Kopf mehr als die der Gegner, bei der gleichgroßen Grünen-Fraktion sind die Verhältnisse genau umgekehrt. BIG/UWG (2) sind geschlossen gegen den Erweiterungsbau, die Linke (3) ist geschlossen dafür. Von den beiden AfD-Ratsvertretern findet sich je einer in einem der beiden Lager. Und auch die CDU mit 27 Stadtverordneten ist in der Frage tief gespalten.

Die Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann geht von einer knappen Mehrheit für eine Annahme aus. Das bestätigt auch Thomas Kracke, ein erklärter Gegner der Museumserweiterung. Der Norfer Stadtverordnete, der in seinem Ortsverband noch keinen Befürworter ausfindig machen konnte, hat sich umgehört und durchgerechnet. Er sieht das Mehrheitsverhältnis bei 14:13, höchstens 15:12.

Den Wert der Sammlung stellen die wenigsten infrage. Wer sich gegen die Schenkung ausspricht, tut das alleine aus finanziellen Gründen. Denn die — anvisierte — mittlere Lösung zur Museumserweiterung wird 17 Millionen an Baukosten nach sich ziehen und jährliche Folgekosten in Größe eines hohen sechsstelligen Betrages. Geld, das nicht da ist, wie Bürgermeister Breuer den Fraktionen am Montag mit einem Brief noch einmal in Erinnerung rief. Angesichts eines jährlichen Haushaltsdefizites in Höhe von 25 Millionen Euro fordert nicht nur der Landrat als Kommunalaufsicht in einem Schreiben vom 21. März „weitere Konsolidierungsanstrengungen“.

Auch Breuer betont, dass er „von Gesetzes wegen“ gehalten sei, die Mehraufwendungen für den Museumsbau zu kompensieren. Das heißt: Eine erneute Sparrunde — oder Steuererhöhung. „Die Schenkung ist mit Auflagen verbunden. Und ich sehe nicht, dass die Politik in der Lage ist, diese Auflagen zu finanzieren“, sagt Breuer. Seine Haltung zu dem Projekt? „Kritisch.“

Von beiden Lagern wird lobend anerkannt, dass Breuer den Schenkungsvertrag nachverhandelt hat, in dem nun auch ein Rücktrittsrecht für die Stadt vorgesehen ist. Das nennt Schenkungs-Befürworterin Helga Koenemann nicht nur vernünftig und „einen neuen Ansatz“. Es nährt auch ihre Hoffnung, „dass das im Rat jetzt so akzeptiert wird.“