Amprion hält am Konverter in Kaarst fest
Gestern begann in Neuss die sogenannte Antragskonferenz für den Stromnetz-Ausbau. Viele Bürger fühlen sich übergangen: Die angebliche Bürgerbeteiligung sei eine Farce.
Kaarst/Neuss. Aus Sicht von Amprion ist die Sache klar: Der Übertragungsnetzbetreiber hat sich auf die sogenannte Dreiecksfläche in Kaarst als Standort für den geplanten Konverter festgelegt. Das bekräftigte Unternehmens-Sprecherin Joelle Bouillon gestern gegenüber Journalisten im Neusser Dorint Hotel.
Nebenan in der Stadthalle war derweil die zweitägige Antragskonferenz für den Ausbau des Stromnetzes zwischen Osterath und Rommerskirchen in vollem Gange. Unter den Teilnehmern: die Kaarster Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus. Sie befürchtet, dass Amprion sich mit seinen Plänen zum Konverter auch gegen den Widerstand der Kaarster Politik durchsetzen könnte, wie sie auf Nachfrage sagte. Sie forderte darum ein „ergebnisoffenes Verfahren“. Stefan Haines von der Bundesnetzagentur versicherte, dass es keine Vorfestlegung gebe.
Das trifft jedoch allenfalls auf die Behörde zu, die mit der Antragskonferenz die Bundesfachplanung und den förmlichen Beteiligungsprozess eröffnete. Denn Amprion, das zusammen mit TransnetBW die insgesamt 340 Kilometer lange Höchstspannungsleitung „Ultranet“ zwischen Osterath und dem baden-württembergischen Philippsburg plant, hat sich voll und ganz auf das Terrain zwischen A 57, Bahnlinie und L 30 an der Stadtgrenze zu Meerbusch eingeschossen. Und die Fläche im vergangenen Jahr erworben. Dabei sieht der Regionalplan dort bislang Kiesabbau beziehungsweise einen Grünzug vor. Eine „Hürde“, von der Amprion offenbar glaubt, sie nehmen zu können. Beispielsweise mit einem Zielabweichungsverfahren. Das erfordert zwar die Zustimmung der Stadt Kaarst — die nicht zu erwarten ist —, doch Bürgermeisterin Nienhaus kann nicht ausschließen, dass sich Amprion mit Hinweis auf das Allgemeinwohl und die Bedeutung der Energieversorgung darüber hinwegsetzen könnte.
Olaf Peter Eul, Bundesnetzagentur
Für die Kaarster Dreiecksfläche spricht aus Sicht von Amprion, dass der Abstand zur geschlossenen Wohnbebauung mehr als 1800 Meter betrage und eine Anbindung ans Schienennetz gegeben sei, um die Bau-Komponenten für die rund 20 Meter hohen Hallen zu transportieren. Beides trifft auf den Alternativ-Standort Gohr nicht zu, wie Amprion-Sprecherin Bouillon erklärt.
Entschieden ist damit aber noch nichts: „Die Antragskonferenz ist der Auftakt zum Planungsverfahren, in dessen Verlauf ein 500 bis 1000 Meter breiter Gebietsstreifen für die Leitung von Osterath nach Philippsburg festgelegt werden soll“, erläutert Olaf Peter Eul von der Bundesnetzagentur. Dank der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit bestehe die Möglichkeit, die Planungen zu beeinflussen. Zwar geht es eigentlich nicht um den Konverter-Standort, „aber da das Thema wichtig ist, widmen wir uns ihm an einem Tag“, betont Eul.
70 Besucher kamen zu der Konferenz, unter ihnen Vertreter von Bürger-Initiativen. Obwohl Fragen und Anmerkungen an die Bundesnetzagentur und den Netzbetreiber Amprion zugelassen waren, sahen die meisten Bürger ihren Einfluss auf das Projekt als verschwindend gering an.
„Hier wird eine Schau veranstaltet, um eine Bürgerbeteiligung zu suggerieren“, sagte Helmuth Thetard von der Bürgerinitiative „Pro-Erdkabel-Neuss“, die sich prinzipiell gegen eine Freileitung ausspricht. „Den Bürgern fehlen ja die Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen“, sagte der 71-Jährige. Die Gesetze des Bundes, in denen der Bedarf des geplanten „Ultranets“ festgehalten ist, ließen Gegnern des Projektes nur noch die Klage beim Bundesverwaltungsgericht übrig, findet er. „Amprion treibt die Politik vor sich her.“
Willi Traut, ebenfalls „Pro Erdkabel“, fügte hinzu: „Um eine Waffengleichheit herzustellen, müssten wir zum Beispiel auch Gutachten erstellen. Das können wir uns aber nicht leisten.“ Die Bürgerinitiativen und Anwohner seien nur eingeladen worden, damit Amprion und Bundesnetzagentur „ihre Schuldigkeit getan“ wüssten.
Der 75-jährige Ekkehard Matthes ist resigniert: „Wir haben keinen Einfluss auf die Planung.“ Er sei nur gekommen, um „zur Kenntnis zu nehmen“, was Amprion plane. Christoph Hilden von der Bürgerinitiative „Contra Konverter Gohr, Broich und Umgebung“ kritisierte die „euphemistische“ Ausdrucksweise des Netzbetreibers. Amprion betonte immer wieder, für die Oberleitungen zwischen Osterath und Rommerskirchen keine neuen Masten bauen zu wollen — dass es aber die noch in der Planung befindliche „EnLag 15“-Leitung zwischen Gohr und Osterath nach deren Fertigstellung möglicherweise ebenfalls für „Ultranet“ nutzen will, teilte Heiko Gronau (Amprion) erst auf Nachfrage mit.
Aufseiten der Bundesnetzagentur erkannte Hilden aber den Willen, „das Interesse der Bürger in den politischen Prozess einzubringen“. Es sei dem „hohen nationalen Interesse“ an „Ultranet“ geschuldet, dass „nicht jede Stimme gehört“ werden könne. „Es wird zumindest versucht, Transparenz herzustellen“, sagte der 33-jährige Landwirt.
Wie geht es weiter? Nach dem heutigen Ende der Antragskonferenz erhält Amprion ein „Hausaufgaben-Heft“, wie Dirk Franke von der Bundesnetzagentur formuliert. In einigen Monaten geht es in die nächste Runde: Dann stehen Erörterungstermine vor Ort an, bei denen jeder Betroffene eine weitere Gelegenheit erhalten soll, Einwände gegen das Vorhaben vorzubringen.