Ausstieg aus Rhein-Cargo zum Schutz des Hafens?
Die Kooperation mit dem Kölner Partner wird zur Belastung für das Herzstück der Neusser Wirtschaft.
Neuss. Die Politik macht sich Sorgen um den Hafen als Herzstück der Neusser Wirtschaftskraft. Um dieses zu schützen, wurde im Beteiligungsausschuss hinter verschlossenen Türen sogar laut über den Ausstieg aus der Rhein-Cargo nachgedacht. Dieser gemeinsame Logistik-Dienstleister war 2012 von den Neuss-Düsseldorfer Häfen (NDH) und der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) gegründet worden, um das operative Geschäft der Partner zu erledigen. Im Dezember bestand die Gelegenheit, aus diesem Joint Venture auszusteigen, doch wurde die Option nicht genutzt. Nun heißt es: „Keine Denkverbote mehr.“ Es könne nicht sein, hört man aus der schwarz-grünen Koalition, dass der Neusser Hafen Lasten tragen muss, die vor allem in Köln entstanden sind.
Nein, glücklich sind die Neusser mit der Rhein-Cargo derzeit nicht. Im Vorjahr konnte nur durch einen Verzicht in Höhe von 632 000 Euro allein auf der Neusser Seite eine drohende Teilabwertung der Beteiligungen verhindert werden, die die Muttergesellschaften in das Gemeinschaftsunternehmen eingebracht haben. Nun zeichnet sich ab, dass das Geschäftsjahr 2016 mit einem Defizit in der Größenordnung von 1,7 bis 2 Millionen Euro abschließt. Von Gewinnen redet da schon niemand mehr, zumal auch das Januarergebnis schlecht war. Aber noch will die Politik abwarten.
Vordergründig geht es Rhein-Cargo gar nicht schlecht. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte das Unternehmen eine, so wörtlich, positive Leistungsbilanz. Der Umschlag in den Häfen Neuss, Düsseldorf und Köln sei 2016 um 4,4 Prozent gestiegen, das Gesamtvolumen der bewegten Güter um 0,4 Prozent auf 50,4 Millionen Tonnen angewachsen. Zu finanziellen Kennziffern schweigt sich das Unternehmen aber aus, denn die Werte der Sparte Eisenbahn werfen einen schweren Schatten auf die Bilanz. 22,4 Millionen Tonnen transportierte Güter auf der Schiene bedeuten einen Rückgang um 4,2 Prozent. „2016 war für die Eisenbahn kein leichtes Jahr“, bilanziert Geschäftsführer Wolfgang Birlin nüchtern.
Um diese Sparte wieder flott zu bekommen, stellte die Geschäftsführung den Aufsichtsgremien Ende vergangenen Jahres ein Maßnahmenpaket vor. So stieg Rhein-Cargo unter anderem aus festen Verträgen aus, die nicht profitabel gestaltet werden konnten. Denn weil dem Unternehmen mit 90 eigenen Lokomotiven ausreichend Lokomotivführer fehlen, konnten Fahrten nicht bedient werden, so dass Vertragsstrafen zu zahlen waren. Für andere Touren wurde Personal für teures Geld ausgeliehen, wenn nicht gar ganze Züge an Drittfirmen abgegeben werden mussten. Andererseits verstärkt Rhein-Cargo derzeit seine Anstrengungen, eigene Nachwuchskräfte für den Lokführerstand auszubilden.
In der Januar-Bilanz schlugen sich das und andere Maßnahmen noch nicht nieder. „Dass wir den Break even, die Gewinnschwelle, erreichen, konnte realistischerweise niemand glauben“, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Nun will der Beteiligungsausschuss das erste Quartal abwarten, bevor weitergehende Schritte erwogen werden. „Wir hoffen, dass sich dann eine Trendwende abzeichnet, auf der wir aufbauen können“, sagt das Aufsichtsratsmitglied weiter. Denn eigentlich sei Rhein-Cargo „ein schönes Unternehmen.“
Gegründet wurde Rhein-Cargo auch als Steuersparmodell. Aber weil die Verluste aus dem Eisenbahngeschäft — vor allem aus dem Fernverkehr der Kölner — die Gewinne aus dem Hafengeschäft auffressen, funktioniert das System derzeit nicht. Der Gewinn ist zu gering, um ihn in einer Sondersteuerbilanz mit den Verlusten verrechnen zu können. Das setzt die Häfen unter Druck und macht die Politik unruhig. Vor diesem Hintergrund sind die Ausstiegsszenarien zu sehen, die gerade diskutiert werden. Das Problem ist dabei, dass die Neusser mit ihrem Partner Düsseldorf in die Rhein-Cargo gemeinsam eingestiegen sind und auch nur gemeinsam wieder aussteigen könnten. Die Bereitschaft dazu — so der Eindruck der Koalition — scheint auf Düsseldorfer Seite nicht sonderlich ausgeprägt, weil die Stadtwerke, die dort hinter den Häfen stehen, mit den Kölner Stadtwerke kooperieren. „Es kann nicht sein, dass uns die Düsseldorfer deshalb zu unserem Schaden in diesem Unternehmen halten“, heißt es trotzig. „Wir müssen auf unseren Hafen aufpassen.“ Dann zur Not wieder ganz allein?