Deutsch als Zweitsprache: Kleine Sprachkünstler aus Erfttal
Kinder ohne Deutschkenntnisse lernen gemeinsam die fremde Sprache.
Neuss. Das freundliche Mädchen mit den kurzen Zöpfen stellt sich vor. „Ich heiße Natalia, ich bin neun Jahre alt, ich komme aus Polen. Mein Hobby ist Filme gucken, mit meinem Papa und meinem Bruder Jakub.“ Natalia geht auf die Gebrüder-Grimm-Grundschule in Erfttal. 90 Prozent der Kinder haben hier einen Migrationshintergrund, 19 Nationen sind vertreten.
Natalia, Arkon, Vitali, Byanka und die anderen in dieser speziellen Gruppe haben in der sehr gemischten Schülerschar noch eine Sonderrolle: Sie kamen erst vor kurzem nach Deutschland — ohne auch nur ein Wort deutsch zu sprechen.
„Deutsch als Zweitsprache“ heißt das Projekt, mit dem die Kinder speziell gefördert werden. Weil es deutlich mehr wurden, gibt es seit dem Herbst vergangenen Jahres „DaZ“ als Unterricht zwei Stunden täglich.
Die Lehrerin Ella Vogel, selbst erst vor drei Jahren aus der Ukraine gekommen, hat eine bunte Truppe vor sich. Die Kinder kommen aus Polen und Rumänien, aus Togo, der Ukraine, China und Pakistan, aus der Dominikanischen Republik und dem Irak. Nichts verbindet sie, außer ihrem Kind-Sein und den ersten Kenntnissen in der fremden Sprache.
In dieser Gruppe seien die Jungen und Mädchen lebhafter als ihren „normalen“ Klassen, die sie für ihren DaZ-Unterricht verlassen, sagt Schulleiterin Elisabeth Hüls: Und sie lernen schnell.
So wie Byanka aus Rumänien, die erst Ende November in die Gruppe kam, oder Sara, die nur französisch sprach. Sie strahlt und stellt sich vor: „Ich komme aus Togo, mein Hobby ist Mathe, und ich kann ein bisschen besser Deutsch sprechen.“
Temperamentvoll mischt sich Vitali aus der Ukraine, fünf Monate in Deutschland, ein. Er hat viel zu sagen, eigentlich zu allem, hört aber auch auf die Lehrerin, wenn die den Finger an den Mund legt und ihm vorsagt: „Ich bin leise, ich höre zu.“
Es geht um Zahlen an diesem Tag. Alle singen zur Einstimmung das Zahlenlied. „Eins, zwei, Papagei.“ Dabei können einige schon viel mehr. Erkan aus dem Irak kann schon bis 100 zählen. Leise und konzentriert gibt er eine Kostprobe. Am Tag zuvor haben die Kinder große Zahlen auf Plakate gemalt. Jetzt hält Ella Vogel jeweils zwei zusammen. Eine 3, eine 2. Sara weiß es: zweiunddreißig, und umgekehrt geht es auch. Der stille Erkan bewältigt auch die 87.
Das Zählen und Rechnen ist oft leichter als die Arbeit mit der fremden Sprache. Und für manche wird es erst recht schwierig mit der Schrift. Arkon, gerade einmal sieben Jahre alt, ist erst vor kurzem aus Pakistan gekommen, spricht Urdu und kann ein wenig in der Schrift seiner Heimat — von rechts nach links — schreiben: Die hat aber auch gar nichts mit der lateinischen Schrift gemein. Doch er beißt sich durch.
Die DaZ-Kinder bilden keine starre Gruppe. Wer fit genug ist, geht ganz zurück in seine Klasse, neue Kinder, die gerade zugezogen sind, kommen hinzu.
Den Kindern macht es sichtlich Spaß. Die Schule findet Unterstützung für ihr Projekt, ob durch Zuschüsse des Landes oder mit Hilfe der evangelischen Bücherei, die zweisprachige Lesehefte stellt. Tanja Eibauer springt ehrenamtlich ein. Die Grafikerin hat mit Ella Vogel das Projekt „Mal-Werkstatt Deutsch“ ins Leben gerufen. Das Ergebnis wird in einer kleinen Ausstellung präsentiert (s. Kasten).
„9 und 10, auf Wiedersehen“, schallt es durch den Klassenraum. Das scheint wirklich eine leichte Übung für diese kleinen Sprachkünstler zu sein.