Dormagen/Kibiz: Elternbeitrag zu hoch, Vorschriften eine Katastrophe

Interview: Heinz Hilgers, Bürgermeister und Kinderschutzbund-Präsident, fordert einen Modellversuch für Dormagen.

Dormagen. Im August 2008 soll das neue Kinderbildungsgesetz (Kibiz) in NRW in Kraft treten - wenn im Herbst der Landtag dem Regierungsentwurf zustimmt. Das Gesetz sieht unter anderem eine neue Finanzierungsform für Kindertageseinrichtungen vor und ist stark umstritten. Mit der WZ sprach darüber Heinz Hilgers, Bürgermeister, SPD-Politiker und Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

WZ: Herr Hilgers, wie stehen Sie zu Kibiz?

Hilgers: Als Bürgermeister sage ich, dass die Stadt mit dem gesamten Finanzvolumen, das wir vom Land erhalten, zurechtkommen würde. Wir haben das in der Verwaltung ausgerechnet und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir genug Geld bekommen würden, um das Angebot punktuell sogar noch zu verbessern.

WZ: Das hört sich doch gut an . . .

Hilgers: Ja, aber die Detailvorschriften zur Finanzierung sind eine Katastrophe. Durch die neuen Zuweisungsrichtlinien bekommt die eine Einrichtung 80 000 Euro mehr als bislang, obwohl sie gar nicht mehr Geld benötigt. Auf der anderen Seite gibt es Einrichtungen, die würden mit Kibiz Pleite gehen.

WZ: Woran liegt das?

Hilgers: Das System orientiert sich an Defiziten und nicht an Erfolgen. Da gibt es beispielsweise eine Einrichtung in Hackenbroich, einem Stadtteil, in dem wir große soziale Probleme haben, die seit Jahren schon erfolgreich Sprachförderung betreibt. Nach den geplanten Finanzierungsvorschriften würde dieser Kita das Geld gekürzt, gerade weil sie erfolgreich ist. Das ist vollkommen unverständlich. Als Stadt wären wir auch künftig in der Lage, das uns zugewiesene Geld weiterhin nach Bedarf auf unsere Einrichtungen aufzuteilen. Elterninitiativen können das nicht. Sie stehen zum Teil vor dem Ruin.

WZ: Welche Initiativen sind das?

Hilgers: In Dormagen denke ich da an die beiden Waldkindergärten. Sie werden von den Pauschalbeträgen nicht mehr ihre Kosten decken, geschweige denn in notwendigem Maße qualifiziertes Personal bezahlen können. Geld pro Kind, aber ohne Verwendungsnachweis: Davon profitieren vor allem Einrichtungen, die weniger und jüngeres Personal haben, das schlechter bezahlt wird. Wir müssen uns bewusst machen, wie wichtig es ist, ausreichend Geld für genügend und qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen. In Deutschland wird erwartet, dass sich die Menschen für Kinder entscheiden. Dann muss man in den Kitas auch auf Qualität setzen und bei den Eltern keine Angst entstehen lassen, dass ihre Kinder nicht vernünftig betreut werden.

WZ: Kann die Stadt den Elterninitiativen helfen?

Hilgers: Die Kommune hat nach dem neuen Gesetz nicht die Möglichkeit, einfach einzugreifen. Ich schlage deshalb vor, dass die Städte nach eigenem Ermessen die Landes- und die Kommunalmittel gerecht verteilen können. Dazu gibt es bereits eine Resolution aus dem Jugendhilfeausschuss. Ich würde mich bereiterklären, mit dieser Finanzierungsidee einen landesweiten Modellversuch in Dormagen zu starten. Das werde ich dem Familienminister auch vorschlagen.

WZ: Was außerdem gefällt Ihnen an Kibiz nicht?

Hilgers: 19 Prozent Elternbeitrag ist zu hoch. In Deutschland leben 2,6 Millionen Kinder auf Sozialhilfeniveau - wie sollen die Eltern das bezahlen? Das Beitragsaufkommen muss generell auf 13 Prozent runter, wobei mittelfristig die Beitragsfreiheit anzustreben ist.

WZ: Eine bessere Förderung behinderter Kinder in den Kitas - das ist die Botschaft, die die Landesregierung in Bezug auf Kibiz aussendet. Was sagen Sie dazu?

Hilgers: In Bezug auf integrative Gruppen in Kindertagesstätten ist in den vergangenen Jahren bereits sehr viel getan worden. Ich kann wirklich nicht erkennen, dass Kibiz da weitere Vorteile brächte.