Neuss/Schneewittchen: So spannend kann Theater sein

Im Theater am Schlachthof überzeugte die Inszenierung von Theo Mellers kleine wie große Gäste.

Neuss. Chipstüten rascheln, Apfelschorlen zischen, da betritt ein Tippelbruder die Bühne. Aus einem Haufen weggeworfenen Sperrmülls bastelt er einen Baum und klebt ein welkes Herbstblatt an. Gerade als er zu erzählen anhebt, wird er Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen einem schönen Mädchen und ihrer Stiefmutter. Da beginnt er seine Geschichte von neuem: Es war einmal...

Zeitgemäß beginnt Theo Mellers Bühnenfassung von "Schneewittchen", der ersten Kindertheaterpremiere des TaS in dieser Spielzeit, zu der am Sonntag viele kleine und große Gäste gekommen sind. Das Interesse und die Begeisterung an diesem Nachmittag beweisen, wie anregend und spannend Märchen auch heute sein können. Dabei versteht es Meller, den Stoff frisch zu inszenieren, ohne sich dabei vom Originaltext der Gebrüder Grimm allzu weit zu entfernen.

Nichts hat das Märchen an Spaß und Spannung für die Kleinen verloren. Vor allem, wenn Fabienne Spickermann als Schneewittchen aus dem viel zu kleinen Zwergenbettchen fällt, hopsen die Kinder vor Vergnügen auf ihren Stühlen. Oder der spannende Höhepunkt, als die Stiefmutter mit dem vergifteten Apfel die Bühne betritt. Die Oberkörper vorgebeugt, die mitgebrachten Flaschen umklammernd, sitzen die Kinder auf ihren Stühlen. Erst als der schöne Prinz erscheint, knarren überall die Sitze, löst sich die Spannung.

Getragen wird die Geschichte von Erzähler Daniel Cerman, dem auch die Kleinsten gut folgen können. Die wenigen Requisiten - ein paar weiße Laken, Stühle, ein schrankähnliches Gestell, ein Podest mit dem Spiegel - machen es leicht, das Geschehen auf der Bühne zu begreifen. Ganz ohne Szenenwechsel kommt die Vorstellung aus, nur gelegentlich werden einige Gegenstände neu arrangiert. Viel Raum bleibt den Schauspielern für ihr Spiel auf der Bühne.

Für abwechslungsreiche Unterhaltung sorgen auch die stimmungsvolle Musik von Toshi Trebeß und die dramatischen Lieder von Sabine Wiegand. In ihrer Spiegelszene als eitle Stiefmutter herrscht im ganzen Saal ergriffene Stille, die im nächsten Moment in lautes Gelächter umschlägt. Zu Recht gibt es Szenenapplaus für die Songeinlagen, und auch nach dem Happy End haben die kleinen Hände die Klatscherei erstaunlich lange ausgehalten.

Dem Stück ist jeder Erfolg zu wünschen, und es ist zu hoffen, dass sich möglichst wenige von einem Besuch abhalten lassen, nur weil sie Märchen für altbacken halten.

Die nächsten Vorstellungen sind am 23. und 30. September sowie am 3., 21. und 28. Oktober jeweils um 15 Uhr. Karten und weitere Infos gibt es unter der Telefonnummer 02131/277 499.