Ein Bilderbogen als Benimmfibel

Pieter Brueghel d.J. zeigt, wie man sich falsch verhält – zu sehen im Sels-Museum.

Neuss. Es ist einer der "Schätze", die das Clemens-Sels-Museum morgen beim Internationalen Museumstag besonders vorstellen will. Ein detailreiches Bild, ein Werk, das Geschichten erzählt. Nicht nur eine große Kostbarkeit, ist doch diese "Bauernkirmes" von Peter Brueghel d.J. aus dem Jahre 1616 das einzig erhaltene von ursprünglich drei Bildern dieser Serie. Nein, es ist auch ein zur besten Unterhaltung in Auftrag gegebenes Benimm-"Buch"; genauer: Es gibt Beispiele dafür, wie man sich eben nicht zu verhalten hatte in der frühen Neuzeit.

Thomas Ludewig, stellvertretender Museumsleiter und Volkskundler mit Leib und Seele, verweist auf immer neue Details, die dem flüchtigen Betrachter sicherlich entgehen werden.

Brueghel griff bei seiner Darstellung auf einen fast 100 Jahre alten Holzschnitt von Hans Sebald Beham aus Nürnberg zurück. So ist es die Szenerie eines sicherlich nicht ganz armen namenlosen Dorfes aus dem Fränkischen, die der flämische Künstler ausschmückte.

Augenfällig zunächst: Nicht die Kirche steht im Mittelpunkt des Bildes, sondern das an der Fahne erkenntliche Wirtshaus. Die Ordnung ist auf den Kopf gestellt. Unkeusches Verhalten wird angeprangert. Im Wirtshaus vergnügt sich in dunkler Stube ein Paar, davor wird geprasst - ein Mann muss sich hin zum Hund übergeben -, geküsst, geschmust. Und wer es noch immer nicht versteht, für den zeigt Brueghel links von der Schankstube Hahn und Henne in eindeutiger Pose.

Links von der Kneipe hat ein Quacksalber seinen Tisch aufgebaut. Während eine Frau schon verzweifelt oder schmerzgeplagt wartet, zieht er einen Zahn - und seine Gehilfin bestiehlt den armen abgelenkten Patienten.

Und noch ein Beispiel für mangelnde Moral: Vier Männer besprechen einen Handel. Ein Bauer, den Kopf entblößt, handelt ehrlich, gleich werden sich zwei Männer die Hand reichen. Doch der Mann in roter Hose hält die rechte Hand verborgen, er führt Böses im Schilde.

Am linken Bildrand ein Verkaufsstand mit "Galanteriewaren". Hierhin wenden sich die Menschen, und nicht etwa zur nahen Kirche. Dort steht die Hochzeitsgesellschaft. Die Braut ist schwanger, nicht ungewöhnlich, musste doch sichergestellt sein, dass der Hof auch einen Erben bekam. Der Pfarrer steht vor der Kirche, die Gesellschaft wird keine Messe feiern: Zu dieser Zeit setzte sich erst allmählich die Ehe als Sakrament durch. Der Pfarrer gab lediglich seinen segen.

Was nur schwer zu erkennen ist, von Kunstexperten aber belegt wird: Das Gesicht des Pfarrers ist auch das des Mannes, der in der Mitte des Tisches die Völlerei genießt, und ebenso das des Tänzers der seine Partnerin fröhlich unter den Rock greift.

Zahllose weitere Details kann Thomas Ludewig über diese "Bauernkirmes" berichten. Das Werk aus der Sammlung von Clemens Sels ist morgen ein Schwerpunkt Museumstag. Einer von vielen - entsprechend des Mottos vom "universellen Erbe".