Fall Daniel D.: Täter wird nicht wegen Nacktbildern angeklagt
Weil er bereits zu langer Haft verurteilt ist, wird wegen Missbrauchs nicht weiter ermittelt.
Kaarst/Düsseldorf. Auch wenn es sich um gängige juristische Praxis handelt — für Hilde und Klaus D. fühlt sich diese Entscheidung an wie ein erneuter Schlag ins Gesicht: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat das Ermittlungsverfahren gegen ihren Neffen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen vorläufig eingestellt. Die Strafprozessordnung sieht diese Möglichkeit vor, wenn die zu erwartende Strafe in Anbetracht einer anderen, deutlich schwerwiegenderen Tat nur gering ins Gewicht fällt. „Gerade, weil es um sexuelle Übergriffe geht, ist das nach außen das vollkommen falsche Zeichen“, formuliert Klaus D. seine Befürchtungen. „Dieser Mensch hat ein vollkommen gestörtes Frauenbild. Er wird irgendwann da weitermachen, wo er aufgehört hat.“
Derzeit sitzt der ehemalige Aushilfssportlehrer am Willicher St.-Bernhard-Gymnasium im Gefängnis. Wegen Totschlags an seinem Cousin Daniel D. — Sohn von Hilde und Klaus D. — hat das Landgericht Düsseldorf den inzwischen 29-Jährigen im August vergangenen Jahres zu zehn Jahren Haft verurteilt. Kurz vor Ende des Prozesses hatte der Korschenbroicher zugegeben, seinen Cousin am Abend des 11. Dezembers 2013 am Rande der Kreisstraße 37 bei Büttgen erschlagen zu haben. Zum Tatmotiv äußerte er sich nicht.
Im Laufe der Ermittlungen war die Polizei unter anderem auf Fotos von leicht bekleideten und nackten Schülerinnen gestoßen, die der Sportlehrer auf seinem Computer hortete. Auch ein heimlich aufgezeichnetes Video aus einer Umkleidekabine befand sich auf der Festplatte.
Eine Sprecherin des Schulträgers, der Malteserwerke, bestätigte damals, dass es an dem Gymnasium, an dem der 29-Jährige seit 2009 beschäftigt war, im Jahr 2011 aktenkundige Fälle von Belästigungen gegeben hat. Mehrere Schüler und Eltern hatten sich seinerzeit an die Schulleitung gewandt.
„Unser Neffe hat Schülerinnen unter Androhung schlechter Noten zu sich nach Hause bestellt, andere bekamen über Facebook Einladungen zum gemeinsamen ,Feilen’ an der Figur“, sagt Klaus D.. „Allen war offenbar klar, dass das nur von ihm kommen konnte, aber er hat unter Tränen alles bestritten und schlussendlich ist nichts weiter passiert.“
Fest steht: Von der Staatsanwaltschaft wurden zehn Fälle im Zweiraum von 2011 bis 2013 ermittelt, in denen es zur Kontaktaufnahme mit Schülerinnen über das Internet kam. Nur in einem Fall, sagt die zuständige Staatsanwältin, sei es tatsächlich zu einem Treffen gekommen.
Gegen den Sportlehrer wurde auch wegen Vergewaltigung einer Internet-Bekanntschaft ermittelt. Auch dieses Verfahren wurde eingestellt. Es ließ sich nicht nachweisen, dass der sexuelle Kontakt gegen den Willen der jungen Frau stattfand, heißt es. Ob der getötete Daniel D. von der job- und rufgefährdenden Fotosammlung seines Cousins wusste, konnten die Ermittler auf der Suche nach einem Tatmotiv bislang nicht aufklären. Hilde und Klaus D. sind als Nebenkläger in Revision gegangen. Sollte der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Düsseldorf kassieren, könnte auch das vorläufig eingestellte Missbrauchsverfahren wieder aufgenommen werden.