Fundbüro versteigert herrenlose Fahrräder

Beim Fundbüro kamen nicht abgeholte Fundsachen unter den Hammer. Bei den Bietern waren vor allem Drahtesel begehrt.

Foto: woi

Neuss. Auf den Pflastersteinen liegen noch die inzwischen festgetretenen Blumen von einer Hochzeit am Morgen. Doch dafür interessiert sich jetzt niemand mehr. Dennoch bleiben die Passanten stehen. Nicht wegen der Blumen, sondern wegen der Masse an Menschen. Und wegen der Fahrräder. Rund 200 Besucher drängen sich hinter einem langen Absperrgitter im Innenhof des Rathauses. Zwischen Glasfassade und Absperrung steht ein Tisch, darunter ein kleiner Verstärker. Das eingesteckte Kabel schlängelt sich bis zu dem Mikrofon in der Hand von Manfred Seekircher. Der steht an einem Pult und erklärt die Spielregeln: Gebote sind bindend, der Verkäufer hat kein Umtauschrecht, gezahlt werden kann nur bar.

Denn im Rathaus-Innenhof findet gestern Nachmittag eine große Versteigerung statt. Unter den Hammer kommen alle Fundsachen, die vor dem 18. November 2015 verloren gegangen sind und deren Eigentümer nicht gefunden werden konnte. 61 Fahrräder sind das. Außerdem werden im Rathaus zeitgleich 80 Uhren und 30 Schmuckstücke versteigert. „Das ist eigentlich eine ziemlich gute Menge an Fundsachen, weil zwar für Jeden was dabei ist, aber das Angebot nicht so groß ist, dass die Preise hinterher niedrig ausfallen“, so Günter Schorn vom Neusser Bürgeramt. Er sitzt an einem Tisch hinter der Absperrung. Zu ihm kommen die Höchstbietenden, um zu bezahlen und ihre Käufe abzuholen.

Währenddessen wuchtet Rene Dienstbier ein Rad auf den Tisch. Da dessen Ständer defekt ist, hält er es fest, um zu verhindern, dass es herunter stürzt. Dabei sieht das Rad aus, als sei genau das schon ein paar Mal passiert. Der Sattel ist aufgerissen, der Rahmen ist leicht rostig, die Reifen sind platt. Dennoch erzielt das Rad einen guten Preis: 28 Euro. „Manchmal wundern wir uns schon, wie viel die Leute bereit sind zu zahlen“, sagt Günter Schorn. Das ist beim nächsten Rad nicht anders. Die Reifen sind platt und spröde, der Sattel ist sehr alt. Aber es ist ein Hollandrad. „Das ist der Klassiker“, sagt Schorn, „egal wie heruntergekommen, die erzielen immer gute Preise.“ Tatsächlich sieht Manfred Seekircher erst bei 55 Euro keinen Bieter mehr. Er zählt langsam runter: „Drei. Zwei. Eins. Bitte sehr. Es gehört Ihnen.“

Viele Käufer sind bereits eine halbe Stunde vor dem Beginn der Auktion gekommen, um die Fahrräder zu begutachten. So auch Alexander Severens. Der 21-Jährige studiert in Siegen Literatur, Kultur und Medien. „Trotz der Berge wäre ein Fahrrad dort sehr praktisch“, sagt er. Zusammen mit seinem Vater Karl-Wilhelm Severens (64) ist er aus Krefeld angereist. Der Vater kennt sich gut aus mit Fahrrädern. „Ich fahre viel und kann gut beurteilen, in welchem Zustand ein Rad ist“, sagt der 64-Jährige. Drei Räder kommen in die engere Auswahl. Aber es gibt einen Favoriten. „Cycle Wolf“ steht auf dem Rahmen. Die Gebote schaukeln sich hoch. Bei 65 Euro hebt Alexander Severens nochmal die Hand. „70 Euro sind geboten“, sagt Manfred Seekircher, „Drei. Zwei. Eins. Bitte sehr.“