„Höchst überflüssig“: Kritik an teurer Aussichtsplattform
Der 150 000 Euro teure Bestandteil der geplanten Ohrenbrücke hat es ins Schwarzbuch des Steuerzahlerbunds und ins Fernsehen geschafft.
Kaarst. Wer hätte gedacht, dass sich Mario Barth einmal zur besten Sendezeit im Fernsehen über Kaarst lustig macht. So geschehen am Mittwochabend. In der Sendung „Mario Barth deckt auf“ führt sich der Comedian regelmäßig das Schwarzbuch des Steuerzahlerbunds zu Gemüte. Darin werden auf 160 Seiten die schlimmsten Fälle von Steuergeldverschwendung aufgelistet. Und auf dieser Liste steht auch die 150 000 Euro teure Aussichtsplattform der geplanten Ohrenbrücke, die künftig den Verkehr zum neuen Ikea-Haus aus Holzbüttgen heraushalten soll.
Der Steuerzahlerbund spricht von einer „zweifelhaften Augenweide“ und einem „höchst überflüssigen Unterfangen“, denn der Nordkanal, heißt es, könne auch an anderen Stellen angemessen bewundert werden. Die Aussichtsplattform koste den Steuerzahler unnötig viel Geld.
Das sieht die Stadt Kaarst anders. Die Fachausschüsse und der Stadtrat hätten ganz bewusst für die außergewöhnliche Gestaltung der Brücke mit Aussichtspunkt auf den Nordkanal gestimmt. „Diese Brücke“, sagte Architekt Eckehard Wienstroer bei der Vorstellung der Pläne, „ist mehr als nur ein Mindestfunktionalbauwerk“.
Vielmehr soll sie den Verkehr aufnehmen und dabei Funktionalität und Ästethik miteinander verbinden. Und: Der Nordkanal soll sich ein Stück weit in der Brücke widerspiegeln. Deshalb bekommt die neue K 37n-Brücke einen stabilen, torartigen Unterbau. Die Aussichtsplattform ragt über das Wasser hinaus.
Die Überführung selber beschreibt eine Wellenlinie mit unterschiedlich hohem Geländer. Es wächst dort, wo es die Bahntrasse vorschreibt, und wird niedrig über dem Nordkanal. „Die Bauteile für die geschwungene Sonderbauform sind nur in geringen Mengen verfügbar und deshalb deutlich teurer als herkömmliche eckige Systembauteile“, erklärt die Technische Beigeordnete Sigrid Burkhart. So erklärten sich die Extra-Kosten.
Davon unabhängig: Die Planung und Gestaltung öffentlicher Bauwerke müsse neben den Gesichtspunkten der Kosteneinsparung und Zweckmäßigkeit auch Fragen der Ökologie, des Denkmalschutzes und weitere Anforderungen berücksichtigen, sagt die Stadt Kaarst. Die Bezirksregierung Düsseldorf betreibe derzeit ein Unterschutzstellungsverfahren für den Nordkanal als Bodendenkmal. Die Brückengestaltung trage diesem Ansinnen Rechnung und ermögliche der interessierten Öffentlichkeit den Blick auf das zukünftige Bodendenkmal.
Der Aussichtspunkt auf der Ohrenbrücke werde der einzige Punkt im Stadtgebiet sein, an dem das denkmalwerte historische Bauwerk „Nordkanal“ aus der Perspektive wahrnehmbar sei. Zudem, sagt die Verwaltung, sei die Entscheidung auch im Hinblick auf die geplante, vom NRW-Umweltministerium ausdrücklich unterstützte ökologische Aufwertung des Nordkanals und das hohe öffentliche Interesse an diesem Thema aktuell bedeutsamer denn je.