Hohe Kosten durch Mietnomaden

Beim Neusser Bauverein gab es in diesem Jahr bereits 17 Fälle von Mietnomadentum oder Zwangsräumungen.

Foto: Bauverein

Neuss. Jeder zehnte Mieter des Neusser Bauvereins ist säumig. Meist schulden sie dem Unternehmen zwischen 500 und 1000 Euro, doch in der Summe geht das in die Hunderttausende. Dagegen setzt sich das städtische Wohnungsunternehmen zur Wehr. Es wehrt sich aber auch gegen den Vorwurf, Interessenten mit Schulden und einer deswegen negativen Schufa-Auskunft würden nicht als Mieter akzeptiert. Bei fünf von 26 in diesem Jahr abgeschlossenen Verträgen war das kein Hinderungsgrund, erklärte Niki Lüdtke jetzt dem Sozialausschuss. Allerdings gibt es nach Angaben des Leiters der Vermietungsabteilung eine „Firewall“: Wer vor Gericht eine eidesstattliche Versicherung abgeben musste oder wer demnächst eine Haft anzutreten hat, muss sich eine genauere Prüfung gefallen lassen.

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Niki Lüdtke, Leiter der Vermietungsabteilung

Für den Bauverein ist es nicht ganz einfach, die Vermietung seiner aktuell 6790 Wohnungen profitabel zu gestalten. So drücken schon die wenigen Fälle von Mietnomadentum oder Zwangsräumungen die Bilanz. Allein die Mietrückstände und Instandssetzungskosten für die 17 Fälle in diesem Jahr, wo eine Zwangsräumung erfolgt ist oder der Mieter vorher die Schlüssel abgab, schlugen beim Bauverein mit 72 000 Euro zu Buche. „Wir brauchen kein RTL II. Das ist bei uns täglich — und live“, sagte Lüdtke zur Veranschaulichung der Situation, auf die die Leerstandsmanager vor Ort oft stoßen. Der Bauverein sehe solche Zwangsmaßnahmen immer als letzte aller Möglichkeiten, sagte Lüdtke, der dennoch um Verständnis warb, wenn geklagt und geräumt würde. „Mietschulden ins Uferlose wachsen zu lassen, indem man die Menschen weiter wohnen lässt, kann nicht Ziel des Unternehmens sein.“

Mancher Euro allerdings wird dem Bauverein sozusagen legal vorenthalten, wenn nämlich der Mieter Wohngeld vom Jobcenter erhält. Das Land lasse Quadratmeterpreise für öffentlich geförderte Neubauwohnungen von 5,75 Euro zu, der grundsicherungsrelevante Mietspiegel des Kreises erkenne aber zum Beispiel für Fünf-Personen-Haushalte nur 5,05 Euro als erstattungsfähig an. Weil auch die erstatteten Betriebskosten fast durchgehend unter den tatsächlichen lägen, kann die Differenz zwischen möglichen und tatsächlichen Einnahmen für einen solchen Haushalt auf 900 Euro pro Jahr anwachsen. „Der Mietspiegel bildet nicht ab, was wir vermieten“, stellt er fest. Dem konnte Sozialdezernent Stefan Hahn nur zustimmen: „Unsere gemeinsame Linie muss sein“, nahm er die Politik mit in die Pflicht, „beim Kreis zu erreichen, dass der Mietspiegel möglichst schnell und realistisch angepasst wird.“ Zumal der Bauverein nicht helfen kann, wenn das Jobcenter Hilfeempfänger auffordert, sich kleiner zu setzen oder „angemessenen“ Wohnraum zu finden. Leerstand gibt es nicht. Zum 1. Mai verfügt der Bauverein über 20 freie Wohnungen, denen aktuell 1273 Bewerber gegenüberstehen. Davon sind rund 280 Bauvereins-Mieter sind, die sich verändern wollen.