Im Schaltjahr ist der Maibaum auch eine Sache für die Frau
Rhein-Kreis. Mitunter nimmt sich die Nacht zum 1. Mai aus wie ein großes Casting-Programm für die nächste Artistik-Show. Tollkühne Junggesellen auf Fahrrädern treten fest in die Pedale, einarmig halten sie das Lenkrad und haben irgendwie — das bedarf schon ziemlich ausgeprägter Koordinationskünste — einen Maibaum über die Schulter des anderen Arms gestemmt.
In einer TV-Show wäre genau das der Moment, in dem der Satz „Bitte nicht nachmachen“ eingeblendet wird. Schließlich bringt der schönste Maibaum nichts, wenn der Bote sich die Haxen bricht. Vielleicht sind allerdings in diesem Jahr nicht ganz so viele tollkühne Junggesellen in den Ortschaften, in denen der Brauch der Liebesmaien gepflegt wird, unterwegs. Schließlich bekommen sie Konkurrenz. In einem Schaltjahr sind auch die Frauen dran und setzen ihrem Liebsten einen Maibaum — vielerorts ist das ein ungeschriebenes Gesetz.
Für die Junggesellen bedeutet das: Sie können auch mal machen lassen. Einer, der seiner Freundin in den vergangenen Jahren stets einen Maibaum setzte, ist Andreas Risse. Der 22-Jährige, der in der Rosellerheide im Jägerzug „Junge Falken“ aktiv ist, hat sich allerdings nie leichtsinnig mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht. „Dafür haben wir immer einen Pick-up benutzt“, sagt Risse. Wir — das sind er und sein Bruder. Als „Maibaum-Schmücker“ sind die beiden längst ein eingespieltes Team. Ein paar Tipps für die Mädels, die das zum ersten Mal machen? „Das Kreppband sollte wasserfest sein und so angebracht werden, dass es nicht direkt beim ersten Windstoß reißt“, sagt Andreas Risse. Der möglichst bunt geschmückte Baum sollte zudem so platziert werden, dass er nicht umkippt. „Er soll ja schließlich auch ein paar Tage stehenbleiben.“ Und er sollte am Haus, vor dem er aufgestellt wird, nichts beschädigen — zum Beispiel an der Dachrinne. Denn egal ob ein Junggeselle oder eine Junggesellin den Liebesmaien setzt, niemand möchte sich den Unmut der Schwiegereltern in spe oder der Angebeteten zuziehen. Ein Maibaum soll die Liebe schließlich beflügeln und nicht erschlagen.
Woher der Brauch der Maibäume als Liebesgruß oder auf dem Dorfplatz in der Ortsmitte errichteten Sommerboten stammt, ist nicht geklärt. Der älteste schriftliche Hinweis geht auf Caesarius von Heisterbach zurück. Der Zisterziensermönch hat um 1222 in seinem Kloster bei Königswinter eine Abhandlung über die Sitten- und Kulturgeschichte seiner Zeit verfasst. Darin berichtet er über das Errichten eines Maibaums sowie die damit einhergehenden Feierlichkeiten. Um 1650, so berichtet der Braunschweiger Historiker Gerd Biegel, sei erstmals ein Maibaum gemalt worden. Aber wo die kulturellen Wurzeln liegen, wird in der Wissenschaft diskutiert — und, ob der Brauch bereits in der Antike verbreitet war.
Klar ist: Das Aufstellen der Maibäume steht in engem Zusammenhang mit dem Frühling und dem Aufblühen der Natur. Als Liebesboten werden in der Regel junge Birken verwendet, die als Symbol für Kraft, Anmut und Lebenswillen gelten. Die Bräuche allerdings unterscheiden sich von Ort zu Ort. Vor allem im ländlichen Bereich aber werden sie nach wie vor mit Hingabe gepflegt.