Junge Menschen mit Behinderung kochen bald in eigener Küche
Die Initiative „Paul kocht“ zieht in Geschäftsräume am Bahnhof.
Kaarst. Kinder und Jugendliche mit Behinderung leben mittlerweile oftmals gut gesellschaftlich integriert — zumindest, solange sie Kita oder Schule besuchen. Im Erwachsenenalter wird ihnen die gesellschaftliche Integration jedoch erschwert. „Ihnen bleibt oft nur die Arbeit in den Behindertenwerkstätten“, sagt Sybille Hermeling-Krön. „Eine Wahl des Berufs nach eigenen Interessen ermöglicht das nicht.“ Das wollte die Hotelbetriebswirtin, deren Tochter vor 22 Jahren mit einer geistigen Behinderung auf die Welt kam, ändern.
Sie hatte die Idee, jungen Erwachsenen mit Behinderungen größtmögliche Selbstständigkeit und ein gesellschaftlich integriertes Leben zu ermöglichen — und zwar mit einer Koch-Manufaktur. Hier können junge Erwachsene mit Handicap ihren ganzen Eifer und ihre Begeisterungsfähigkeit einbringen, gleichzeitig gute Arbeit leisten und leckere Produkte herstellen.
Vier Familien mit behinderten Kindern, die die Sorge umtrieb, was ihre erwachsenen Kinder jemals später arbeiten könnten, gründeten 2012 gemeinsam den Kaarster Verein „Prima Arbeiten und Leben“ — kurz „Paul“. „Von der Idee bis zur konkreten Umsetzung verging einige Zeit“, sagt Hermeling-Krön, Vorsitzende des Vereins. Sie ist zudem Geschäftsführerin von „Paul kocht“, einer GmbH, die anschließend gegründet wurde.
Seitdem stellen behinderte junge Erwachsene in der Gastronomieküche des Kaarster Classic Hotels, das von dem Ehepaar Sybille und Klaus Krön geführt wird, Feinkostprodukte her. Sobald die Frühstückszeit der Gäste beendet ist, schnippeln und rühren, kochen und backen die jungen Leute an mehreren Tagen pro Monat in der Hotelküche. Unter Anleitung entstehen 25 Produkte, darunter Chutneys, Fruchtaufstriche, Kuchen, Suppen und Liköre.
„Die meisten Rezepte sind so, dass die jungen Erwachsenen viele Arbeitsschritte selbst erledigen können“, berichtet die Hotelchefin. Das Besondere dabei: „Jeder findet eine Tätigkeit, die er gut ausführen kann.“ So vereint die Initiative zwei Ziele: gutes Essen und gute Arbeit. Es sei ein schwieriger Weg bis dahin gewesen, so Hermeling-Krön. „Denn wir müssen viele Vorschriften einhalten, da wir Lebensmittel produzieren und verkaufen. Deshalb ist auch eine Gastronomieküche notwendig.“ Fleischprodukte können sie nicht anbieten, da die Anforderungen für deren Herstellung noch weit höher wären.
Bei 20 Handelspartnern, darunter der Rewe-Markt Röttcher und Rewe Post, Nahkauf-Lange, Küppers Erdbeeren und Geflügelhof Küppers, sind die Leckereien mittlerweile erhältlich. Seit einem Jahr gibt es zudem den Food-Truck „Paul kocht“, der immer mittwochs auf dem Kaarster Wochenmarkt steht.
In einigen Wochen steht dem Verein „Paul kocht“ der nächste Entwicklungsschritt bevor. Aufmerksamen Kaarstern werden die roten Aufkleber „Paul kocht“ an den Geschäftsräumen direkt am Kaarster Bahnhof längst aufgefallen sein. Dort hat die Initiative Räumlichkeiten gefunden, in denen sie zukünftig ihre Feinkost herstellen wird.
Derzeit werden Sanitär- und Elektroleitungen gelegt, ein rutschfester Boden verlegt sowie Abluftsysteme eingebaut. Im Juni will „Paul kocht“ seine Produktion dort aufnehmen. Ein weiterer Schritt zur Professionalisierung der Idee. Hermeling-Krön: „Wir wollen, dass die Kunden unsere Produkte einfach lecker finden und deshalb kaufen — und nicht aus Mitleid.“