Intendantin schätzt Neugierde der Neusser

Bei der Vorstellung des neuen Programms am Rheinischen Landestheater diskutierte Bettina Jahnke mit den Besuchern über die Auswahl der Stücke und die Ansprüche des Theaters.

Foto: Andreas Woitschützke

Neuss. Mit der kommenden Spielzeit unter dem Motto „#mäßigung“ schließt das Rheinische Landestheater (RLT) in Neuss nach den Themen Weisheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit die Reihe der vier Kardinaltugenden ab. „Ich starte in die Saison mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, bekundete Intendantin Bettina Jahnke bei der Spielplanpräsentation, denn für sie ist es die letzte Spielzeit am RLT. 2018/19 übernimmt sie die Intendanz am Hans-Otto-Theater in Potsdam. Jahnke und Chefdramaturg Reinar Ortmannn, der 2018/19 der Interims-Intendant sein wird, nutzten die Gelegenheit sogleich zur Selbstreflexion — und stellten sich den kritischen Fragen und Anregungen des Publikums.

„Ist das Theater, das wir machen, auch Ihr Theater?“ lautete die Leitfrage der Theaterspitze. Die Frage zielte auf eine Diskussion über die bisherigen Spielzeiten und über die Art des Anspruchs, den ein Theater wie das RLT verfolgen sollte. In der vergangenen Spielzeit (#tapferkeit) hatte das Stück „Jenny Jannowitz“ von Michel Decar demnach besonders polarisiert.

In der Inszenierung von Nicole Erbe verliert Hauptfigur Karlo Kollmar (Pablo Guaneme Pinilla) den Anschluss an die Zeit — nicht für jeden machte das Stück Sinn. „Doch mit der Logik alleine gelassen zu werden, gehört auch zum Kunstspektrum. Das bieten wir nicht oft an, gehört aber dazu“, meinte Jahnke, die seit Beginn ihrer Intendanz im Jahr 2009 immer wieder unkonventionelle Stücke in die Programme aufnimmt.

Für ein subventioniertes Landestheater gehöre es dazu, für jeden Geschmack etwas zu produzieren, so die Intendantin. Auch Stücke, die sich weniger auf rationaler als auf emotionaler Ebene verstehen lassen, ergänzte Ortmann.

Und „das Publikum ist offener geworden“, stellte Jahnke fest. Stücke, wie „Jenny Jannowitz“ hätte sie sich zu Beginn ihrer Intendanz nicht zu zeigen getraut. Heute, acht Jahre später, sehe das anders aus. Die Theaterchefin führt das vor allem auf die „rheinische Neugierde“ zurück: „Ich komme aus dem Norden, da ist man eher skeptisch. Hier im Rheinland geht man hin und entscheidet dann, ob es einem gefällt. Aber man geht zunächst hin. Das hat mir immer gefallen.“ Ihr Eindruck sei, dass überzeugende und konventionelle Stücke dem Neusser Publikum über die Jahre das Vertrauen gegeben haben, auch mal in andere Inszenierungen zu gehen, erklärte sie.

Dass sich die Theaterleitung in der Vergangenheit für verschiedene Mottos — wie die Kardinaltugenden — entschieden hat, wurde von einigen Zuschauern als hilfreiche Orientierung angenommen, andere sahen darin eine willkürliche Entscheidung. Einig schien sich das kritische Publikum aber in einer Sache: zeitkritische Denkanstöße zu geben, bekomme das RLT immer wieder hin.

Auch für ihre letzte Spielzeit verfolgt Jahnke keinen geringeren Anspruch. Unter dem Motto „#mäßigung“ positioniert sich das RLT mit Stücken wie „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff, der Komödie „Floh im Ohr“ oder dem Shakespeare-Klassiker „Othello“ zu Werten wie Besonnenheit, Gelassenheit und Ausgelassenheit.