Spielzeitstart: Tanztheater Pina Bausch führt Wiederaufnahme von „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“ auf Mit Macbeth und Abstand geht es los

Tanz in Coronazeiten hat es besonders schwer, erscheint unmöglich. Auf Nähe programmiert kann er mit Abstand und Isolation schlecht umgehen. Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch versucht es dennoch.

Szene mit dem Ensemble aus „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“. Aufgenommen 2019.

Foto: Uwe Stratmann

Auf Sicht und mit einem Stück, das vor diesem Hintergrund gleich mehrfach als Glücksfall erscheint. Mit Pina Bauschs Version von Macbeth („Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“), die erst 2019 wiederaufgenommen wurde. Das Tanztheater startet damit im Opernhaus in Barmen Anfang September in die neue Spielzeit.

„Wir wollen jetzt aus der Depression raus und mit einem positiven Geist unser erstes Projekt in Angriff nehmen“, gibt sich Intendantin Bettina Wagner-Bergelt zuversichtlich. Das ausgewählte Stück sei auch vor der Pandemie gesetzt gewesen und ideal in abstandswahrenden Zeiten.

Die Sommerpause war zwar tanz-, nicht aber arbeitsfrei. Galt es doch, aus den verschiedenen Vorschriften und Empfehlungen vom Robert-Koch-Institut, von Landesregierung, von Kassen oder Tanzverbänden, wie Tanztheater risikofrei realisiert werden kann, ein Konzept zu entwickeln. Und dies gemäß sich ändernder Angaben immer wieder zu modifizieren. Aktuell steigende Infektionszahlen lassen weitere Änderungen bereits wahrscheinlich werden. „Wir müssen flexibel sein und schauen, ob es funktioniert“, weiß auch Bettina Wagner-Bergelt.

So geht das Team von Macbeth – sieben Tänzer und zwei Schauspieler – in freiwillige Quarantäne, sollen Tests organisiert werden. In andere Arbeiten des Ensembles wird es nicht involviert. Ein eigenes Konzept regelt die Proben, die in zwei Sälen zeitgleich stattfinden, damit die vorgeschriebenen Quadratmeter pro Tänzer eingehalten werden können. In den Pausen werden die Räume gelüftet und gesäubert. Soli und berührungsfreie Duette stehen als erstes an. „Wir müssen ja wieder trainieren“, sagt die Intendantin, wissend, dass die Tänzer vor wenigen Wochen noch allein zuhause probten, nur über Zoom mit ihren Coaches in Kontakt standen.

Im Moment wird noch „Agua“ geprobt, das viele Soli enthalte, so Wagner-Bergelt. Dennoch komme man sich schnell näher, müsse sich immer wieder daran erinnern, Abstand zu halten. Ein eigenes Konzept regelt den Backstagebereich. Macht akribische Vorgaben, die auch nicht vor den Kostümen und ihren Haken Halt machen.

Das Stück erweist sich
jetzt als Glücksfall

Einem Schachbrett ähnelt der Sitzplan in der Oper, wo die Aufführungen angesetzt sind. Natürlich nicht vor vollen Rängen, sondern mit Abständen. Entsprechend weniger Karten können verkauft werden. „Ich denke, das Publikum wird mitziehen, sich freuen, dass das Tanztheater endlich wieder auftritt“, hofft Wagner-Bergelt, die Gleiches von den Tänzern berichten kann. Sie seien froh, „dass es wieder eine Vorstellung gibt und wissen, dass wir verantwortungsbewusst umgehen“. Viele seien in der Sommerpause zuhause geblieben. Wer im Ausland war, habe sich testen lassen oder sei vorsorglich in Quarantäne gegangen.

Die finanzielle Lage des Tanztheaters ist zwar durch den coronabedingten Ausfall von Gastspielen und Vorstellungen schwierig, aber nicht dramatisch – dank Kurzarbeit und Hilfsfonds, die man in Anspruch nehmen will.

Die neue Spielzeit beginne man bewusst nicht mit 15 Projekten oder einem Riesen-Spielplan. „Wir planen bis Mitte September und schauen dann weiter“, sagt Wagner-Bergelt. Nach dem „Präzedenzfall Macbeth“ werde man schauen, wie es gelaufen sei, wie sich die Tänzer fühlen und dann entscheiden. Natürlich habe man viele Stücke in der Schublade und „nicht nur einen Plan B, sondern auch C und D“. Auch Gastspieltermine im Ausland (zum Beispiel in Paris und Clermont-Ferrand) stehen unter Vorbehalt.

„Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“ entstand 1978 als Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum. 2019 wurde es aufwendig und zeitintensiv wieder erarbeitet, die Aufführungen wurden gefeiert. Es stand schon deshalb vor der Coronakrise auf der Agenda für 2020/21. Josephine Ann Endicott und Hans Dieter Knebel, die beide zur Besetzung der Uraufführung gehört hatten, leiteten die Neueinstudierung mit der jüngeren Tänzergeneration. Ihnen zur Seite stand Bénédicte Billiet.

Als Schauspiel-Gäste kamen Johanna Wokalek und Maik Solbach hinzu, die auch jetzt wieder dabei sind. Wokalek übernahm die Rolle von Mechthild Großmann, Solbach die von Vitus Zeplichal. Aus dem Ensemble wirken Jonathan Fredrickson, Tsai Wei-Tien, Stephanie Troyak, Julie Shanahan, Oleg Stepanov, Julian Stierle und Michael Strecker mit.

Pläne bis Mitte September, weitere Stücke in der Schublade

„Wir sind froh, dass wir das Stück haben“, sagt Wagner-Bergelt. Es sei weniger tänzerisch, habe weniger Duo- und Trio-Einsätze, dafür viel Sprache und viele Stellen, wo entfernt von einander agiert werde. „Es geht ja um Isolation und Verzweiflung“, erklärt die künstlerische Leiterin des Tanztheaters. So könne Pina Bauschs Werk unverändert bleiben und zugleich auf Sicherheit geachtet werden.