Kanalnetz in Neuss Kanalsystem verschlingt Millionen

Neuss. · Mehr als 800 Kilometer Abwasserkanäle durchziehen den Neusser Untergrund. Zum Teil stammen die Rohre noch aus der Kaiserzeit.

Wilhelm Heiertz von der Infrastruktur Neuss kontrolliert das Neusser Kanalnetz.

Foto: Hammer, Linda/Hammer, Linda (lh)

Unter dem Asphalt beginnt die Kaiserzeit. Vor allem im Dreikönigenviertel, der Innenstadt und im Hafengebiet gibt es noch immer Abwasserkanäle, die älter als 100 Jahre sind. Vielen sieht man, wie die Schadensbilder aus den regelmäßigen Kamera-Befahrungen zeigen, ihr Alter auch deutlich an. Die Sanierung – ein Fass ohne Boden. So scheint es.

Der Untergrund der Stadt wird von einem Kanalnetz durchzogen, das – aneinandergereiht – knapp der Distanz Neuss-Mailand entspricht. Exakt sind es 835 Kilometer. 72 Kilometer stammen noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, „nur“ 252 Kilometer sind 30 Jahre oder jünger, berichtet Johannes Steinhauer, der „Unterwelt-Chef“ bei der Infrastruktur Neuss, der ehemaligen Stadtentwässerung. Diese Abschnitte machen ihm naturgemäß den geringsten Kummer.

Zum Nachweis dafür, dass die Stadt ihr Kanalnetz in Schuss hält, ist sie seit 1987 gesetzlich verpflichtet, ein Abwasserbeseitigungskonzept vorzulegen. Das wurde zuletzt im Jahr 2018 für die Zeit bis 2024 fortgeschrieben und sieht alleine in diesem Jahr Investitionen in einer Größenordnung von 13,3 Millionen Euro vor. Nimmt man noch die Beträge für Erschließungsvorhaben, die Kläranlagen aber auch Maßnahmen wie das Breitband-Pilotprojekt hinzu, „verbuddelt“ die ISN alleine in diesem Jahr laut Wirtschaftsplan fast 21 Millionen Euro. Geld, das niemand sieht.

Intakte Kanäle dämmen das Überschwemmungsrisiko ein

Diese Investitionen aber sind notwendig. Denn die Beseitigung von Schmutz- genauso wie von Regenwasser gehört nach Steinhauers Darstellung nicht nur zur Daseinsvorsorge, sondern schützt – richtig praktiziert – die Umwelt und dämmt das Überschwemmungsrisiko ein. Trotzdem sehen gerade die Anwohner betroffener Straßen dem Anrücken der Kanalbauer mit gemischten Gefühlen entgegen. Und das nicht nur wegen Dreck und Unannehmlichkeiten. Denn oft wird nach dem Kanalbau oberirdisch der Straßenraum neu geordnet, und den Anliegern flattert dafür irgendwann eine Rechnung ins Haus. Sie werden nach wie vor zur Zahlung von Straßenbaubeiträgen herangezogen.

Dieses Thema beschäftigt aktuell die Menschen am Grüner Weg, die 2020 vorgezogen in den Genuss einer Kanalsanierung auf einer Länge von 750 Metern kommen. Allerdings: Mit den 1,5 Millionen Euro, die die Sanierung verschlingt, haben sie nichts zu tun. Die deckt der Etat, den alle Neusser mit ihrer Abwassergebühr füttern. 16 bestehende und geplante Baustellen weist das „Baustellenradar“ der ISN im Internet aktuell aus, darunter das Langzeitprojekt Bergheimer Straße im Dreikönigenviertel. Mühlenstraße (750 000 Euro), Quirinusstraße (400 000 Euro), Cranachstraße (800 000 Euro) oder Rembrandtstraße (350 000 Euro), die 2020 zu den größeren Vorhaben zählen werden, sind dort noch nicht gelistet. Genauso wenig wie die neun kleineren Maßnahmen in Gnadental und auf der Morgensternsheide, die der Aufsichtsrat noch im November in das ISN-Jahresprogramm aufgenommen hat.