Kantoren starten in die arbeitsreichste Zeit

An den Weihnachtsfeiertagen begleiten Kirchenmusiker bis zu sechs Gottesdienste am Tag.

Foto: Anja Tinter

Kaarst. Sie wussten es vorher: Wenn andere feiern, sind sie richtig im Stress. Kirchenmusiker starten am Heiligen Abend in einen wahren Marathonlauf, denn bis zu sechs Gottesdienste sind festlich zu begleiten. Da muss die eigene Familie viel Verständnis aufbringen — und die hohen Erwartungen an das emotional besetzte Fest wollen auch erfüllt werden. „Von daher ist eine gute Vorbereitung entscheidend — dann ist man selbst auch ruhig“, sagt Dieter Böttcher, Seelsorgebereichsmusiker der katholischen Pfarreiengemeinschaft Kaarst-Büttgen. Der 43-jährige freut sich auf Weihnachten: „Ich kann mir nicht vorstellen, ohne einen Gottesdienst das Fest zu erleben“, sagt er.

An Heiligabend ist er in Büttgen im Einsatz — weil er in Kaarst wohnt, sind Ehefrau Andrea und Tochter Helena (7) zeitgleich dort in der Krippenfeier. Anschließend wird zu Hause noch einmal die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und zur Bescherung werden Lieder gesungen. Die Feier zu Hause versetzt ihn in ‚richtige‘ Weihnachtsstimmung, die sich mit der Gestaltung des Gottesdienstes um 22 Uhr noch steigert. Damit er fit bleibt, verzichtet er an diesem Abend auf Alkohol.

Sein evangelischer Kollege Wolfgang Weber hat am Heiligen Abend gleich vier Gottesdienste zu begleiten. „Das ist alles trubelig, aber es macht mir großen Spaß. Die Menschen sind alle festtäglich gestimmt“, erzählt Weber.

Währenddessen bereitet Ehefrau Susanna Rouladen zu — mit Bildern auf sein Smartphon hält sie ihren Mann über den Fortschritt des Festessens auf dem Laufenden. Ab halb acht hat das Ehepaar gut zwei Stunden Zeit für Essen und Bescherung. „Um 23 Uhr besuchen wir gemeinsam den Gottesdienst — da kommt die Welt zur Ruhe und ich in die eigentliche Festtagsstimmung“, sagt er. Am ersten Feiertag spielt Weber in einem Gottesdienst, am zweiten hat er frei. „Den Tag genießen wir sehr — wir spielen ganz entspannt mit Freunden Karten“, erzählt der 57-jährige.

Wenn die Mutter Kantorin ist, kann der Nachwuchs nicht unmusikalisch sein — Böttchers Kollegin Annika Monz wird in Kaarst von Tochter Pia (10) beim Krippenspiel unterstützt und Ehemann Thomas Monz singt bei der Festmesse am ersten Feiertag mit. Die Kinder Cornelius (8) und Antonia (3) verfolgen alles von der Kirchenbank aus.

Die Kinder fiebern der häuslichen Feier nach der Familienchristmette um 17 Uhr am Heiligen Abend entgegen. „Nach jedem Geschenk singen wir erst ein Lied“, erzählt Annika Monz — manchmal auch nach zwei Geschenken, damit das Auspacken nicht zu lange dauert. Um das leibliche Wohl kümmert sich an allen Tagen der Vater — seine Frau muss Heiligabend dann nochmals zur Mitternachtsmesse los.

Mit echter Weihnachtsstimmung kehrt sie gegen zwei Uhr morgens zurück. „Mein Mann wartet auf mich und wir wünschen uns nochmals frohe Weihnachten“, sagt die 42-jährige. Nach kurzer Nacht beginnt um acht Uhr bereits die Hirtenmesse. „Aber der Schlafmangel und ein bisschen Aufregung, dass auch alles klappt, gehören dazu — es ist unsere Hauptarbeitszeit und eher positiver Stress“, fasst sie zusammen.