Köhler-Rücktritt: Verständnis und Kritik an Kritik

Reaktionen: Politiker aus dem Rhein-Kreis zur überraschenden Entscheidung des Bundespräsidenten.

Neuss/Berlin. Bundespräsident Horst Köhler tritt zurück. Diese Nachricht verbreitete sich gestern um kurz nach 14Uhr. Köhler begründete seine Entscheidung mit der Kritik an seinen Äußerungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr: Er vermisse den Respekt vor seinem Amt.

Wenige Minuten nach Bekanntwerden des Rücktritts zeigt sich Bürgermeister Herbert Napp "wirklich sehr ratlos". Selbst wenn man die umstrittenen Aussagen hätte missverstehen wollen, so hätte es doch ein klares Dementi aus dem Bundespräsidialamt geben können. Die Begründung mag der Bürgermeister nicht so ganz nachvollziehen: "Respekt muss man sich verschaffen."

Bedauern über den Rücktritt äußert Landrat Jürgen Petrauschke. "Ich hätte das nicht für nötig gehalten. Doch der Druck von außen wird irgendwann enorm." Horst Köhler setze nun "ein eindeutiges Zeichen - wie so oft in seiner Amtszeit". Ähnlich reagiert Bijan Djir-Sarai, als FDP-Bundestagsabgeordneter Mitglied der Auswärtigen Ausschusses und Leiter der Afghanistan-AG seiner Fraktion. Überzogen nennt er die Kritik an Köhler und erklärt: "Die Opposition hat bewusst seine Aussage über die Auslandseinsätze falsch interpretiert." Notwendig, sagt auch Djir-Sarai, sei dieser Rücktritt nicht gewesen.

Harte Worte findet Willy Wimmer, 33 Jahre Bundestagsabgeordneter und vier Jahre lang Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. "Ich glaube, dass der eingeschlagene Weg der CDU verhängnisvoll ist, und der Rücktritt von Horst Köhler gehört dazu. Wir haben eine Führungskrise, die begann mit der Kritik der Kanzlerin am Heiligen Vater." Er habe in seinem politischen Leben nie eine so katastrophale Entwicklung erlebt wie jetzt, sagt Wimmer und fordert: "Die Kanzlerin sollte als Bundesvorsitzende der CDU zurücktreten."

Ein hervorragender Bundespräsident war Köhler für Verkehrsminister Lutz Lienenkämper, erfreulich undiplomatisch habe er gesagt, was die Leute denken. Nun gelte es, einen "klugen und abgestimmten Personalvorschlag zu machen. Das Schlimmste wäre jetzt eine wilde Personaldebatte."

"Durchaus nicht nötig, aber verständlich angesichts der maßlosen Kritik am Amt" ist für Hans-Günther Hüsch, 14Jahre Bundestagsabgeordneter, die Entscheidung des Bundespräsidenten. Auch für Hüsch wurde die Äußerung "absichtlich missgedeutet: Er hat schließlich nicht nur einen Satz gesagt."

Man merke, dass Köhler kein Politiker sei, und vielleicht habe er auch "ein Zeichen gegen die Verluderung in der politischen Diskussion setzen wollen". Was dem altgedienten Politiker sehr missfällt: "Es war nicht in Ordnung, dass sich die politische Führung des Landes nach den Angriffen auf Köhler nicht zum Schutz des Amtes geäußert hat." uda