Kraftwerk heizt für Tomaten
In Neurath entsteht das größte Gewächshaus in NRW. Projekt dient auch der Forschung.
Grevenbroich. Es soll ein Meilenstein in der Tomatenzucht werden. Gegenüber des Kraftwerks Neurath entsteht der größte Gewächshauspark Nordrhein-Westfalens — mit knapp 110 000 Quadratmeter Fläche. Das halb so große Gewächshaus A wird bereits genutzt. Rund 190 Tomatenpflanzen der Sorte „Lyterno“ wurden dort in den vergangenen vier Tagen eingepflanzt. In den nächsten Wochen soll in Haus B noch einmal die gleiche Anzahl gedeihen.
„Normalerweise werden Tomaten im Dezember gepflanzt, aber der harte Winter hat den Bau der Gewächshäuser verzögert“, sagt Dirk Drießen, einer von vier Gärtnern aus der Region Straelen am Niederrhein, die in das Projekt rund 12 Millionen Euro investiert haben.
Der Kraftwerksbetreiber RWE Power stellte das Grundstück bereit, baute das Neurather Fernwärmenetz für eine Millionen Euro um und liefert für den Anbau preiswerte Wärme. Die Erzeugergemeinschaft Landgard vermarktet die regionale rote Frucht, die nach Fertigstellung der Verpackungsstraße von Neurath aus direkt an den Großmarkt geliefert werden soll.
„Wir arbeiten seit zwei Jahren daran, Kraftwerkswärme in ein Gewächshaus einzuspeisen“, sagt Henning Schmidt, Vorstandsvorsitzender von Landgard. Das vom Kraftwerk in Kraft-Wärme-Kopplung bereitgestellte 70 Grad Celsius warme Wasser sorgt laut RWE dafür, dass die Gewächshäuser permanent auf einer Temperatur von mindestens 20 Grad gehalten werden. Die Wärme werde nachts oder am Wochenende in einem rund 5000 Kubikmeter fassenden Vorratsbehälter gespeichert und bei Bedarf an die Gewächshäuser weitergeleitet.
„Zudem versuchen wir, die Niedrigtemperaturwärme unseres Kraftwerks von rund 40 Grad zu nutzen“, sagt Eberhard Uhlig, Leiter der RWE-Kraftwerke Neurath und Frimmersdorf. Auf einer Fläche von 10 000 Quadratmetern wurde dafür ein spezielles Heizungssystem installiert. Die Niedrigtemperaturwärme ist bislang nicht nutzbar.
„Wenn es uns gelingt, diese im Überfluss vorhandene Wärme zu nutzen, kann das Projekt Schule machen“, sagt Schmidt. Landgard plane weitere Projekte — mit verschiedenen Kulturen.
Die vier Gärtner Carsten Knodt, Dirk Drießen, Wilhelm Baum und Matthias Draek erwarten von dem neuen Projekt eine Erntemenge von bis zu 6000 Tonnen pro Jahr. „Bis November werden wir ernten. Dann pflanzen wir neue Tomaten“, sagt Drießen, der den Betrieb vor Ort leitet. Unterstützt wird er von Kollege Knodt. Draek kümmert sich um die Logistik, Baum verwaltet den Gewächshauspark.
„Dass sich vier Unternehmer in dieser Form zusammengeschlossen haben, ist nicht üblich. Aber so können wir Synergien und verschiedene Erfahrungen nutzen“, sagt Wilhelm Baum. Noch arbeiten im neuen Park rund 30 Mitarbeiter. Künftig sollen bis zu 80 Menschen beschäftigt werden.