Kurioser Aushang in Neuss Hutverkäuferin klagt die Bahn an
Neuss. · Helga Stradter beschuldigt die Bahn, weil ihr Zug oft Verspätung habe – doch der Streckenbetreiber ist National Express.
Bei seinem Anblick geraten viele Besucher der Neusser Innenstadt ins Schmunzeln. Einige zücken ihr Smartphone, um es zu fotografieren. Wer denkt, es handle sich um eine beliebte Sehenswürdigkeit, der liegt falsch – das Fotomotiv ist ein Papier in Din-A 4-Format.
Dieses hängt an der Glastür des Hutgeschäfts von Helga Stradter an der Krefelder Straße, Ecke Königstraße. Der Text, der auf dem Blatt zu lesen ist, dürfte der Deutschen Bahn nur bedingt gefallen: „Sollten Sie vor verschlossenen Türen stehen, entschuldige ich mich schon jetzt – ich fahre mit der DB“. Darunter folgt, in kleineren Buchstaben, der Satz: „Jeden Tag eine andere Katastrophe.“
Verkäuferin komme wegen der Züge dreimal die Woche zu spät
Angesprochen auf den Aushang, erklärt die Hutverkäuferin die Hintergründe: Unter der Woche fahre sie jeden Morgen mit dem Regional-Express 7 von Krefeld nach Neuss. Zumindest im Zeitraum zwischen November und Ende Januar, wenn ihr Hutgeschäft geöffnet hat – in den warmen Monaten ist in den Räumlichkeiten nämlich das Eiscafé Zampolli zuhause. „Mindestens dreimal pro Woche kann ich das Geschäft erst später öffnen, weil der Zug wiedermal Verspätung hatte“, sagt Helga Stradter. Den Aushang hätten sie und ihr Mann platziert, um Kunden über die Gründe der abgeschlossenen Tür aufzuklären.
Das Problem: Die öffentliche Attacke trifft tatsächlich das falsche Unternehmen. Denn wie ein Sprecher der Deutschen Bahn auf Nachfrage mitteilte, handelt es sich beim RE 7 um Züge von „National Express“, dem einzigen privaten Unternehmen im Schienenpersonen-Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen. Die Bahn ist verständlicherweise nicht begeistert über den Aushang und die Verwendung des geschützten Logos.
National Express suche
den Kontakt zum Fahrgast
Aber was sagt man bei National Express dazu? Dort reagiert man äußerst reserviert auf die Anfrage. „Wir bevorzugen in diesem Fall den direkten Kontakt zu unserem Fahrgast und möchten mit ihm gerne gemeinsam die Situation besprechen“, teilte eine Sprecherin mit. Auf wiederholte Nachfrage, ob es denn tatsächlich zu regelmäßigen Verspätungen auf der besagten Strecke komme, gab es keine Reaktion des Unternehmens.
Dabei hatten Pendler, die den RE 7 nutzen, bereits Anfang des Jahres ihrem Ärger Luft gemacht. Vor allem zwischen Köln und Krefeld – auch in Neuss wird auf der Strecke Halt gemacht – komme es regelmäßig zu Zugausfällen oder Verspätungen. Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, hatte von einem „ganz alten Problem“ gesprochen, das man „immer wieder angesprochen“ habe. Denn bereits vor der Übernahme der Strecke durch National Express sei die Deutsche Bahn genauso vorgegangen. Damals sei es ebenfalls oft zu Verspätungen gekommen, da der RE 7 eine „komplizierte und anfällige Strecke“ fahre. Vor allem Köln sei völlig überlastet – und der Fernverkehr habe Vorrang.