Laufmutter von Gnadental

Porträt: Anni Gilges gründete vor 30 Jahren einen Frauen-Lauftreff. Am Mittwoch ist sie 81 Jahre alt – und leitet ihn immer noch.

<strong>Neuss. Mit Turnschuhen und Wintersachen bekleidet steht Anni Gilges im Januar 1976 am Waldweg und wartet auf ihre zwölfjährige Tochter Angela. Die muss doch bald angelaufen kommen. An Position 22 erscheint sie endlich. Doch das Mädchen wirkt seelisch fertig, hat ein blutiges Knie. Es ist bei den Nordrhein-Meisterschaften gestürzt. "Als ich Angela gesehen habe, habe ich gedacht: Im Ziel bricht sie zusammen", erinnert sich Gilges. Die 49-jährige Mutter rennt querfeldein durch den Wald, 500, 600 Meter - bis zur Ziellinie. "Ich war schneller als Angela. Im Ziel habe ich sie umarmt. Wir haben beide geweint", erzählt sie. "An diesem Tag habe ich gemerkt, dass ich laufen kann."

Wenige Tage später meldete sich die Hausfrau in einem Düsseldorfer Sportverein an. Das Lauf-Fieber hatte sie gepackt. Eineinhalb Jahre später gründete sie den Lauftreff Gnadental. Den gibt es bis heute. Anni Gilges leitet ihn nach wie vor dreimal in der Woche - und mit ihren 81 Jahren ist sie die Alterspräsidentin.

"Das Gros ist zwischen 60 und 70 Jahre alt", sagt Gilges. Acht Teilnehmerinnen laufen, 18 walken, zehn sind Nordic Walker. Dazu zählt auch Anni Gilges. "Ich bin immer noch eine der schnellsten", sagt sie stolz. Seit sie sich vor etwa sechs Jahren eine Hüftverletzung zuzog, ist sie auf strammes Gehen umgestiegen - denn ein Leben ohne den Sport kann sie sich nicht mehr vorstellen.

"Seit ich laufe, bin ich weniger anfällig - und ich bin ausgeglichener", sagt die vierfache Mutter und siebenfache Oma. Ihre weißen Haare sind zu einer sportlichen Kurzhaarfrisur geschnitten, ihre Goldkette gibt ihrem Outfit einen edlen Touch. "Wenn ich vom Laufen nach Hause komme, kann ich Bäume ausreißen." Deshalb dreht sie selbst im Wohnmobil-Urlaub ihre Runden - dann allerdings alleine. "Ich bin froh, dass mein Mann mich lässt", scherzt sie. "Anfangs hat er sich beschwert. Aber inzwischen weiß er, dass ich das brauche. Dann hat er auch eine zufriedene Frau." Beim Laufen sei sie immer guter Dinge, summe vor sich hin.

Aber nicht nur das Laufen hat sie für sich entdeckt. Auch eine Gymnastik-, eine Tanzgruppe und eine Gruppe für Wassergymnastik hat sie ins Leben gerufen und als Übungsleiterin betreut. Die Tanzgruppe hat sich vor kurzem aufgelöst. "Und bei der Wassergymnastik mache ich inzwischen nur noch mit." So absolviert Gilges an fünf Tagen in der Woche ein kleines Sportprogramm. "Dienstags und sonntags habe ich aber sportfrei", sagt sie.

Doch trotz vielfältiger Sportarten, die sie inzwischen betreibt, ist sie den meisten als Läuferin ein Begriff: "Ich werde auch ,Laufmutter von Gnadental’ genannt."