Mehr als Statisten: Heimatchorsetzt Akzente im Theater
Rhonice Cerson-Walter und Brigitte Huscher gehören zum Chor. Sie genießen ihre Auftritte, bei denen sie eine tragende Rolle übernehmen.
Neuss. Brigitte Huscher muss keinen Moment überlegen: „Die Proben waren keine Fron, sondern nur schön“, sagt sie. Rhonice Cerson-Walter nickt heftig und lacht schallend, weil ihr der Begriff „Fron“ so gut gefällt. Die beiden Frauen sind Teil des Neusser Heimatchors, eines Ensembles, das extra für die Aufführung „Wir sind keine Barbaren!“ von Philipp Löhle im RLT zusammengestellt wurde. Nicht aus dem üblichen Statistenpool des Theaters, sondern per Aufruf.
So hatten sich auch Cerson-Walter und Huscher beworben. „Von Beginn an gab es ein starkes Gemeinschaftsgefühl“, sagt Cerson-Walter, „zumindest bei denen, die dann auch dabeigeblieben sind.“ Ein gutes Dutzend hat sich gehalten, übernimmt in der Inszenierung von Sahar Amini eine wahrlich tragende Rolle, denn der Chor tritt mehrmals auf, hat viel Text und kommentiert das Geschehen, setzt damit inhaltlich deutliche Akzente.
Dabei besteht der Chor nicht nur aus unterschiedlichen Typen, aus Männern und Frauen, sondern auch aus jüngeren und älteren Menschen. „Und deswegen ist das umso schöner“, sagen Cerson-Walter und Huscher übereinstimmend. Schließlich verbringen die Chormitglieder viel Zeit miteinander. Vor der Premiere stand über sechs Wochen drei Mal pro Woche eine Probe an, jetzt sind es die Vorstellungen, die sie fordern.
Das chorische Sprechen zu lernen, aufzupassen, dass man nicht aus dem Rhythmus kommt und andere mit sich zieht, war schon eine Herausforderung — vom Auswendiglernen des Textes ganz zu schweigen. „Ich sage mir den Text immer auf, wenn ich auf dem Fahrrad sitze“, sagt Brigitte Huscher. Und sie fährt viel Rad. Rhonice Cerson-Walter nutzt die Spaziergänge mit dem Hund fürs Memorieren. Gern auch laut, was ihr manch verwunderten Blick anderer Spaziergänger beschert, wie die Neusserin lachend zugibt.
Für Huscher ist die Mitwirkung im Heimatchor die Erfüllung eines langgehegten Wunsches. „Ich wollte schon immer mal als Statist auf die Bühne“, sagt die 70-jährige Kaarsterin. Vom Ensemble des Rheinischen Landestheaters fühlt sie sich — ebenso wie die 58-jährige Cerson-Walter — sehr gut aufgenommen.
Dass es in dem Stück auch um einen Fremden geht, der plötzlich hilfesuchend vor der Tür eines klassischen Mittelschichts-Ehepaars steht und dessen Leben geradezu implodieren lässt, berührt Rhonice Cerson-Walter noch etwas anders als die anderen. Sie ist in Südamerika geboren und aufgewachsen, kam vor 35 Jahren nach Neuss, fühlt sich ganz als Neusserin, aber weiß noch: „Fremd war ich damals auch — aber mehr im Sinne von exotisch, denn so viele wie mich gab es nicht.“ Was die flüchtenden Menschen heute erlebten, sei viel schlimmer. Aber sie hat eben auch festgestellt: „Wenn man die Sprache richtig lernt, klappt auch die Integration.“