Neuss: Die Stimmung bei den Innenstadt-Händlern ist besser als die Lage

Thomas Toll, Chef des City-Treffs, spricht mit der WZ über die Erwartungen des Einzelhandels.

Neuss. Thomas Toll, Chef des City-Treffs, im WZ-Interview. Er spricht über die Erwartungen des Einzelhandels.

WZ: Herr Toll, am Sonntag ist 1. Advent, das Weihnachtsgeschäft hat längst begonnen. Wie ist die Stimmung der Innenstadt-Händler?

Toll: Es gibt eine sehr hohe Erwartungshaltung. Wir glauben, dass die Menschen ein stimmungsvolles Weihnachtsfest feiern wollen, auch und gerade in Zeiten der Finanzkrise. Die Umfragen bestätigen: Gespart wird an Luxusgütern wie Autos oder teuren Reisen, nicht aber an Geschenken fürs Fest. Die Stimmung der Händler ist jedenfalls deutlich besser als die Nachrichtenlage.

WZ: Beherrschendes Thema ist die Baustelle. Keine Arbeiten mehr im Advent, keine Absperrungen: Kann die Stadt ihr Versprechen halten?

Toll: Sie wird es nicht ganz halten können. Es hat aber in den letzten Wochen enorme Anstrengungen auf der Baustelle gegeben, das haben wir wohl alle gespürt. Es wird nach dem Wochenende noch fußgängerdurchlässige Absperrgitter geben, wo neu gepflastert wurde: Da müssen noch 14 Tage die Autos abgehalten werden. Und ein paar Tage gibt es noch kleinere Baustellen. Insgesamt aber ist der Hauptstraßenzug vom Rathaus bis Krefelder Straße zu 80 Prozent fertig. Das stimmt uns froh.

WZ: Das klingt versöhnlich. Doch gibt es den ewigen Streit zwischen Stadt und Händlern, die sich gegenseitig vorwerfen, zu wenig für die Innenstadt zu tun. Nun hat die Stadt 20 Millionen Euro in den Hauptstraßenzug investiert. Was tun die Händler?

Toll: Wir haben die gleiche Summe dazugetan. Das sind ungefähr unsere Umsatzverluste während der Baustellenzeit.

WZ: Eine Gemeinschaftsaktion der Händler gibt es nicht?

Toll: Doch. Wir planen ein großes Eröffnungsfest in Zusammenarbeit mit der Stadt, wenn der Hauptstraßenzug ganz fertig ist. Das wird März werden. Dann soll es ein Late-Night-Shopping geben, gemeinsam mit der Gastronomie. Wir haben viele Ideen.

WZ: Hilft dabei die neue Neuss Marketing?

Toll: Die Erwartungen sind groß, der Start war holprig. Mittlerweile gibt es erste Entwürfe eines Marketingkonzepts. Da geht es darum, die "Marke Neuss" aufzubauen. Wir müssen Zusammengehörigkeitsgefühl und Erscheinungsbild stärken. Da tut der Citymanager Thomas Werz schon viel. Er ist ein echter Kümmerer.

WZ: Gerade in den großen Immobilien stehen Veränderungen an. Was wird in den nächsten Monaten passieren?

Toll: Das alte Sinn-Leffers-Haus wird von H&M bezogen. Ich höre auch von einer Kooperation von H&M und New Yorker. Die Räume von Foto Porst sind an Bandolera vermietet, einen mittelpreisigen Damentextiler. C&A geht ins Wehmeyer-Haus. Der Weggang von P&C ins neue ECE-Center ist natürlich sehr schmerzhaft. Dort wird TK Maxx einziehen.

WZ: Ein Billiganbieter...

Toll: Ja, aber auch die ziehen Kundschaft. Leerstand ist keine Alternative.

WZ: Einheitliche Öffnungszeiten wie in einem Center, sagen Sie, kann es in einer Innenstadt gar nicht geben. Auf welche verlässlichen Zeiten können sich die Kunden in der Adventszeit denn einstellen?

Toll: Also ohne Gewähr: In der Woche ist von 9.30 bis 19Uhr auf jeden Fall geöffnet, an den Samstagen von 9.30 bis 18Uhr. Und dann gibt es noch den verkaufsoffenen Sonntag am 7.Dezember von 13 bis 18Uhr.

WZ: Die ist das letzte Weihnachtsgeschäft vor der Teileröffnung des neuen ECE-Centers. Was wird anders werden?

Toll: Man hört, dass sich die Umbauarbeiten verzögern. Aber unabhängig davon: Ich denke, dass beide, Center und Innenstadt, ordentlich existieren können.

WZ: Das klingt aber deutlich optimistischer als noch vor kurzem. Wo liegen denn die Stärken und Schwächen der Innenstadt?

Toll: Schwächen sind die uneinheitlichen Öffnungszeiten und der Sortimentsmix mit seinen Lücken. Schwächen gibt es auch in puncto Sauberkeit und Sicherheit. Das könnte sich aber mit dem neuen Hauptstraßenzug verbessern. Etwas tun müssen wir auch beim Thema Parkgebühren.

Zu den Stärken zählt klar die 2000-jährige Stadtgeschichte. Das kann man auf der grünen Wiese nicht nachbauen, hat die Stadtplanerin Frau Bobenhausen gerade treffend gesagt. Kunden wollen Jahreszeiten spüren und in echten Straßencafés sitzen. Und ein Glühwein schmeckt ja auch nur bei gespürter Kälte.

WZ: Also überwiegt der Optimismus:

Toll: Ja. Einiges ist erreicht, vieles kommt dazu. Da gibt es die Planungen zum Hafenbecken1. Die Öffnung der Innenstadt zum Hafen ist ein Meilenstein. Dann die Entwicklung von Rennbahn und Wendersplatz, dann wird der Busbahnhof bebaut. Und sogar aus der Münze, diesem hässlichen Loch, könnte nach Eigentümerwechseln noch etwas werden. Da bieten sich viele Chancen, und ich werde immer wieder und penetrant darauf hinweisen.