Neuss: Globe-Theater - Chaos im fernen Ephesus

Zwillinge, als Kinder durch einen Schiffbruch voneinander getrennt, werden als Männer in der turbulenten Komödie „Comedy of Errors“ wieder zusammengeführt.

Neuss. Bei William Shakespeares "Comedy of Errors", so erläuterte die Dramaturgin Vanessa Schormann in ihrer Einführung, hätte es der Zuschauer im Gegensatz zu solch mehr als doppelbödigen Lustspielen wie "Maß für Maß" mit einer wirklich "lustigen" Komödie zu tun.

Der Ansicht war offensichtlich auch die "Globe Touring Company", deren acht nach Neuss angereisten Akteure sogleich mit einem polternden, schrillen Volkstanz der Länge nach durch den Theaterraum auf die Bühne tobten - mit unverkennbar antiken Masken und Gewändern, viel selbstgespieltem Schlagzeug, Quetschkommode und einer Klarinette.

Im Nu war das Publikum im zeitlosen Ephesus und mittendrin in dem schwindelerregenden Spiel um die beiden Zwillingspärchen, die einst durch einen Schiffbruch von ihren Eltern beziehungsweise Fürsorgern getrennt wurden, dass es den einen Antipholus nebst Dromio nach Ephesus, den anderen zu zweit nach Syrakus verschlug - derweil Vater und Mutter gleichfalls in verschiedene Lebenskreise davongetrieben wurden.

In Ephesus, das zu allem Überfluss mit Syrakus verfeindet war, trifft man sich ohne Vorwarnung wieder, und das Durcheinander nimmt seinen Lauf.

Der ernste Hintergrund in dieser zutiefst unernsten Komödie: Die "Komödie der Irrungen" hat die vollkommene Identitätskrise zum Thema.

Im Globe-Theater blieb fürwahr kein Auge trocken. Eine "lustige Komödie"? Das war die Untertreibung des Abends. Wer schon über den Witz vom zerstreuten Professor lachen konnte, der sich bei einem Empfang im Spiegel sieht und meint, dann könne er ja gehen, weil er schon da sei: Nun, der konnte sich bei der zweistündigen Vorstellung der wahnwitzig guten Londoner Truppe dem Diktat des Zwerchfells überlassen.

Da klatschten nach bester Commedia dell’arte-Manier die Backpfeifen um den doppelten Dromio, den Miltos Yerolemou mit artistischer und mimischer Brillanz realisierte, brüllte und raste der zweifache Antipholus (nicht minder hervorragend: Ronan Raftery), der nun wirklich nichts "dafür konnte", weil das, was man ihm vorhielt, immer der andere Zwilling gerade eben noch getan hatte.

Allmählich wurde das Personal freilich knapp, denn für das Happy End mussten ja schließlich alle auf die Bühne. Kein Problem: Man wechselte den Platz, sprach - wie beim "Freund Harvey" - mit unsichtbaren Doubles.

Eins aber, feixt der kritische Beoachter, können sie nicht: die beiden Zwillingspärchen simultan auf die Bühne bringen. Zwei lebensgroße, vorder- und rückseitig korrekt ausgeführte Pappkameraden wurden hereingerollt und gaben ihren eigenen Doppelpart.

Da war dann vollends kein Halten mehr im Saal. Das Globe-Theater erbebte in alter Weise als das Ensemble im feurigen Schluss-Tanz wirbelte. Die Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen: Standing ovations!