Neuss: Innenstadt - Schutz vor ABC-Angriff?

Der Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg ist als Schutzraum nachgerüstet. Jetzt ist er aufgegeben.

Neuss. Welche Szenen sich vor der schweren roten Tür abgespielt hätten, bleibt Spekulation. Ein Relikt des Kalten Krieges, das zur Weiternutzung vorgesehen war, steht an der Ecke Gielenstraße und Adolf-Flecken-Straße.

In dem zweistöckigen Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg befinden sich Schutzräume, die bei einen ABC-Angriff für 750 Menschen hätten Zuflucht bieten sollten. Zumindest theoretisch. "Wer hier einrücken sollte und wer die Auswahl getroffen hätte, darüber ist in den Akten nichts zu finden", berichtet Gabi Hoffmann, bei der Feuerwehr Neuss zuständig für die regelmäßige Kontrolle der für den Zivilschutz vorgesehenen Gebäude.

Ende 2006 hat der Bund, Eigentümer des Bunkers, die Stadt Neuss angewiesen, die Instandhaltungsmaßnahmen einzustellen. "Bis dahin hat das Technische Hilfswerk regelmäßig Lüftungsanlagen, Filter und sanitäre Einrichtungen überprüft", so Hoffmann. Seitdem sind die Anlagen stillgelegt.

Die mehr als 20Zentimeter dicke rote Betontür an der Adolf-Flecken-Straße ist keilförmig zugeschnitten. Bei einer Explosion hätte die Druckwelle sie gegen den Rahmen gepresst und Tür und Mauer zu einem unüberwindlichen Hindernis gemacht. Dahinter liegt ein Vorraum und eine weitere druck- und feuerfeste Stahltür.

Der Eingangsbereich ist verwinkelt, damit eine Druckwelle ihre Kraft verliert. Es riecht muffig wie in einem Keller. Kaum ein Geräusch dringt herein. Musikgruppen wussten das zu schätzen. Wo nichts eindringt, dringt auch nichts nach draußen.

"Über Jahre wurden die Räume in den einzelnen Stockwerken an Bands vermietet", erklärt Hoffmann. Nach Ende der Instandhaltung musste allen Mietern gekündigt werden. Einige Räume sind immer noch mit Styropor ausgekleidet. Ein Termin dafür steht aber nicht fest.

Von den langen Gängen in den einzelnen Stockwerken zweigen Kammern ab. Lange Jahre waren sie mit Etagenbetten versehen, in einigen Räumen finden sich noch Metallgestelle und Feldbetten. Auch die Toiletten sind erhalten, nach Männern und Frauen getrennt, nur durch einen Vorhang vor fremden Blicken verborgen.

In einer technischen Zentrale im Erdgeschoss, nun übersäht mit altem Mobilar, befindet sich ein Druckmanometer. Im Falle einer Krise wären die Räume stets auf leichtem Überdruck gehalten worden.

So wäre verbrauchte Luft abgeführt und möglicherweise radioaktiv verstrahlte vom Eindringen abgehalten worden. "Wie das alles tatsächlich ausgesehen hätte im Falle des Falles?", sagt Hoffmann und zuckt mit den Schultern: "Wer weiß das schon."

Bernd Stöver, Historiker der Universität Potsdam und Autor eines Standardwerks über den Kalten Krieg, räumt Insassen von Bunkern wie dem an der Adolf-Flecken-Straße im Falle eines Atomkriegs kaum Überlebenschancen ein.

"Zivilschutzprogramme hatten immer zwei Seiten", erklärt er. Es ging darum, dem Gegner, also dem Warschauer Pakt, zu zeigen: Wir tun etwas für unsere Leute. Zum anderen war schon damals klar: So ein Bauwerk hält der Explosion einer Kernwaffe mit mehreren Kilotonnen nicht stand."

Wie es mit dem nachgerüsteten Bunker weitergehen soll, weiß niemand.