Neusser mit Muskelerkrankung muss auf seinen Rollstuhl warten
Neusser mit Muskelerkrankung beschwert sich über Verwechslung bei Versicherungen.
Neuss. Als Rainer Heilinger an einem Morgen vor fünf Jahren seine Spülmaschine einräumen will, verändert sich sein Leben. Plötzlich verliert er die Kontrolle über seine Hände, einen Kaffeelöffel kann er nicht mehr halten — die Muskulatur versagt. Jahre später erfährt Rainer Heilinger, dass er an der Muskelerkrankung Einschlusskörperchenmyositis (sIBM) leidet. Um sich fortzubewegen, benötigt er mittlerweile einen elektrischen Rollstuhl. Doch verschiedene Versicherungen legen ihm Steine in den Weg.
„Es ist ein jahrelanger Kampf an allen Ecken und Enden“, sagt der heute 64-Jährige erschöpft. Seine Leidensgeschichte ist lang. Nach den ersten Symptomen schließen Ärzte auf die Folgen seiner Bandscheibenvorfälle. Doch die Muskeln werden schwächer. 2010 findet Heilinger einen Experten für Myositis. Der Arzt diagnostiziert eine heilbare Variante und verschreibt Cortison.
Als Heilinger immer schwächer wird und die Stufen zu seiner Dortmunder Dachgeschosswohnung nicht mehr erklimmen kann, zieht er mit seiner Lebensgefährtin in eine barrierefreie Wohnung nach Neuss. Es dauert nicht lange, bis er wegen des Cortisons unter Diabetes leidet, einen ersten Schwächeanfall und seinen ersten Herzinfarkt hat. „Da ging der Spaß erst richtig los“, erinnert sich Heilinger.
2011 wird die Diagnose korrigiert: Rainer Heilinger leidet an der unheilbaren Form der Myositis. „Man kann die Krankheit nicht stoppen, aber mit Antikörpern abbremsen. Seitdem mache ich jeden Tag Rückschritte“, sagt er. Der Zollbeamte lässt sich krankschreiben. Wenig später hat er Zuhause einen zweiten Herzinfarkt. 2012 bekommt er einen doppelten Bypass.
In seiner Wohnung stützt sich Rainer Heilinger an Möbeln ab. Draußen braucht er einen Rollstuhl, um sich bei Schwächeanfällen hinzusetzen. Mit einem Rollator könne er sich nicht fortbewegen: „Da kann man sich gut draufsetzen und ausruhen. Aber bei meiner Form ist eine schnelle Regeneration nicht möglich. Ich würde stundenlang auf dem Rollator sitzen.“
2013 kauft er sich als Übergangslösung einen gebrauchten Rollstuhl. Seine Lebensgefährtin muss ihn schieben, denn ihm fehlt die Kraft, die Räder selbst zu drehen. „Ich kann mit diesen Händen einfach nichts mehr anfangen“, sagt er und zeigt, dass er kaum greifen kann.
Mittlerweile hat der Schwerbehinderte Pflegestufe 1. Im Januar beantragt er bei der Krankenkasse einen Elektrorollstuhl. Zwei Gutachter bescheinigen, dass er einen Rollstuhl benötigt und das Bad umgebaut werden muss. „Aber bis heute habe ich kein einziges Hilfsmittel erhalten.“
Stefan Liebl von der Bayerischen Beamtenkrankenkasse kann das erklären. „Der Versicherte hat fälschlicherweise seine Pflegeversicherung angeschrieben und deshalb eine Absage bekommen. Das wurde intern nicht kommuniziert. Die Krankenversicherung wird die Kosten des elektronischen Rollstuhls natürlich erstatten“, sagt der Sprecher gestern. Rainer Heilinger müsse lediglich noch einige fehlende Unterlagen einreichen.
Der Wahl-Neusser ist erleichtert. Ans Aufgeben denkt er jetzt erst recht nicht: „Bald kann ich mich gar nicht mehr bewegen. Solange versuche ich, gegen die Zeit anzukämpfen. Die Zeit ist mein größter Feind.“