Nickel ist gegen Modernisierungen

Der Schützenpräsident betonte bei der „Zog, Zog“-Versammlung, dass einiges unmodern, aber Tradition sei.

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Neuss. Angesichts von so viel Harmonie in der Stadthalle mag man nicht von Streit sprechen. Einstimmig hatten die Bürger und Bürgersöhne um Punkt 20.20 Uhr am Samstag mit dem Ruf „Zog, Zog“ die Kardinalfrage beantwortet und den Weg dafür freigemacht, dass auch in diesem Jahr in Neuss Schützenfest gefeiert wird, da wurde es doch noch hakelig. Denn dass Bürgermeister Reiner Breuer noch einmal das Thema Zugang für Frauen zu dieser Männerdomäne ansprach, konnte Schützenpräsident Thomas Nickel nicht unkommentiert lassen.

Thomas Nickel, Schützenpräsident

Nickel wies den, so wörtlich, „lieben Reiner“ freundlich auf den Denkfehler hin, das Schützenfest unbedingt modernisieren zu müssen. „Das Wesen unseres Schützenfestes ist seine Unzeitgemäßheit“, sagte Nickel, denn Frack, Holzgewehr oder Marschmusik seien ja eigentlich völlig unmodern. „Das ganze Fest fällt aus der Zeit heraus“, sagte Nickel, der auch die „Zog, Zog“- Versammlung einen „puren Anachronismus“ nannte — aber auch eine liebgewordene Tradition. „Aber nur so funktioniert das“, sagte Nickel, der damit das vorletzte Wort behielt. Das letzte gehörte den Männern im Saal, die nach ihrem Votum wieder als Schützen anzusprechen sind und mit dem Lied „Wenn die Ernte ist vorüber“ die Zeit „vör de Dag“ eröffneten: „Kirmes, Kirmes.“

Die 173. Bürgerversammlung im 193. Jahr des Vereinsbestehens war auf Grundlage der Gesellschaftsordnung aus dem Jahr 1823 einberufen worden. Das Ergebnis stand vorher fest, und doch lässt Nickel nicht zu, die Veranstaltung und den Ablauf ein inhaltsleeres Ritual zu nennen. Es sei eher ritueller Auftakt und im Kern urdemokratisch.

In Richtung der wenigen Mitglieder des Hauptausschusses — von 16 waren acht gekommen, davon nur vier ohne Funktion im Komitee oder als Bürgermeister — meldete Nickel aber auch Wünsche an. Auch wenn einige Denkverbote zur Entwicklung der Galopprennbahn gefallen seien, müssten Schützenwiese und Kirmesplatz getrennt bleiben, sagte Nickel, der sich auch mehr Platz für die Fackelbauer wünscht — und dass das Fest Ende August nicht nur mit dem Böllern eröffnet wird, sondern die städtischen Geschütze auch wieder auf dem Wendersplatz stehen. Breuer sagte zu „99,9 Prozent zu, dass man das Böllern nicht nur hört, sondern auch sieht“.

Breuer erhielt das Wort für seine Jungfernrede vor schützenfestlichem Publikum, nachdem die Kardinalfrage schon beantwortet war. Komiteemitglied Achim Robertz hatte sie gestellt und in seiner Rede nachdrücklich vor einem „Nexit“, also dem Ausstieg aus der Schützenfesttradition, gewarnt. Denn das NRW-Fest, das am Schützenwochenende parallel in Düsseldorf gefeiert wird, sei ja nicht wirklich eine Alternative, sagte er. Nach ihm war es an Bürgermeister Breuer, ein hohes Lied auf den Spieß und seine Bedeutung im Schützenwesen zu singen — und dem Komitee einen rheinisch-versöhnlichen Vorschlag zum Thema Frauen bei „Zog, Zog“ zu machen: Das Votum der allein stimmberechtigten Männer müsse ja nicht zwingend im Saal entgegengenommen werden — das ginge ja per Live-Stream im Internet.