Verein „Little Home“ Kritik an Politik nach Wohnbox-Absage in Neuss
Neuss · Nachdem die Stadt dazu riet, das Obdachlosen-Hilfsprojekt „Little Home“ in Neuss nicht zu realisieren, sieht der Initiator seinen Verein ins falsche Licht gerückt.
Es ist eine Darstellung, die Sven Lüdecke so nicht stehen lassen möchte. „Wenn die Politiker ihre Arbeit richtig machen würden, dann müsste es solche Projekte wie unseres gar nicht geben“, sagt der Initiator des Obdachlosen-Hilfsprojektes „Little Home.“ Doch zunächst ein Blick zurück: Vor wenigen Monaten legte die Stadt Neuss eine Stellungnahme zu den kleinen Wohnboxen vor. Die „Fraktion Jetzt“ wollte zuvor nämlich geprüft sehen, ob solche Mini-Häuser ein adäquates Hilfsangebot für obdachlose Menschen in der Quirinusstadt sein könnten.
Bei den Erfahrungswerten, die die Verwaltung schließlich aus anderen Städten einholte, waren Bedenken geäußert worden. In Düsseldorf würden die Wohnboxen zum Beispiel vom Amt für Integration und Migration nicht unterstützt, „da sie dem vorrangigen Ziel der Wohnungslosenhilfe, obdachlose Menschen in eigene Wohnungen zu bringen, nicht dienen“, hieß es seitens der Verwaltung. Auch in Wiesbaden gehe die Verwaltung davon aus, dass die Wohnboxen für die Überführung von obdachlosen Menschen in eigene Wohnungen nicht hilfreich seien „und es lediglich unter großem Betreuungsaufwand in Einzelfällen gelingen kann, eine Überführung zu erreichen“. Eine nähere Begründung dieser Einschätzung folgt allerdings nicht. Die Stadt Neuss riet daraufhin allerdings davon ab, das Projekt „Little Home“ in Neuss zu realisieren.
Matratze, Erste-Hilfe-Set
und Arbeitsfläche im Inneren
Lüdecke wehrt sich nun gegen die negative Darstellung seines Projektes. Zwar leugnet er nicht, dass es an manchen Standorten auch zu Problemen mit Klienten kommen kann, bei den eingeholten Stellungnahmen vermisst er aber eine ausreichende Begründung: „Niemand weiß, welche Probleme vorliegen und vor allem von wem sie verursacht wurden.“ Was „Little Home“ von anderen Projekten in dem Segment unterscheide: „Bei uns werden die Bewohner sozial begleitet, arbeiten nicht nur am Bau des kleinen Heims mit, sondern bekommen auch die Möglichkeit, sich mit anderen kleineren Arbeiten einzubringen“, sagt Lüdecke. Es gehe darum, nachhaltig zu helfen und „nicht einfach nur ein kleines Haus hinzustellen und wieder zu verschwinden“, sagt Lüdecke.
Immer wieder werde sein Projekt fälschlicherweise als Synonym für andere Mini-Häuser in Deutschland genutzt, wo eine soziale Begleitung nicht oder nicht in dem ausreichenden Maße stattfinde. Der Politik wirft Lüdecke in weiten Teilen Versagen vor, das lediglich durch hohes gesellschaftliches Engagement kaschiert werde. „Wenn alle Freiwilligen Helfer wie zum Beispiel die Freiwillige Feuerwehr, Altenpflege, THW, Rotes Kreuz, Nachmittagsbetreuung von Kindern und alle anderen ehrenamtliche Helfer ihr Amt niederlegen würden, würde das Scheitern der Politik noch deutlicher sichtbar werden – denn die Politik versteckt sich gerne hinter ehrenamtlichen Helfern und kritisiert deren Arbeit, ohne irgendetwas besser zu machen.“
Im Inneren jedes „Little Homes“ befinden sich neben einer Matratze und einem Regal auch ein Erste-Hilfe-Set, ein Feuerlöscher, eine Campingtoilette sowie eine kleine Arbeitsfläche mit der Möglichkeit zu kochen. Mit den kleinen Häusern sollen Obdachlose einen Rückzugsort bekommen. Dadurch, dass die Wohnboxen zusammen mit den Wohnungslosen sowie freiwilligen Helfern gebaut werden, entstehe „eine Brücke in die Gesellschaft“.
Lüdecke erinnert sich noch gut an den Moment, als er die Idee für „Little Home“ entwickelte. Ich habe erlebt, wie eine obdachlose Frau ziemlich unsanft aus dem Kölner Hauptbahnhof geworfen wurde“, sagt er. Lüdecke baute der betroffenen Frau namens Ivana kurzerhand ein kleines Haus, das sie am 7. November 2016 am Breslauer Platz bezog.
Die Hilfsaktion in Köln sollte bei Weitem kein Einzelfall bleiben, gut 250 der kleinen Häuser für hilfsbedürftige Menschen haben die Verantwortlichen mittlerweile in vielen Städten aufgestellt, im Oktober 2022 waren sie auch in Kaarst aktiv – mit Erfolg.