RWE-Prozesse könnten noch 15 Jahre dauern

In den drei milliardenschweren Zivilverfahren wird es wohl keine vorzeitige Einigung geben.

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Grevenbroich. Am kommenden Sonntag wird Almut Oudijk, Vorsitzende Richterin der 11. Zivilkammer am Landgericht Mönchengladbach, 50 Jahre alt. Warum das für die drei milliardenschweren Zivilverfahren im Zusammenhang mit dem Bau des RWE-Braunkohlekraftwerks in Neurath von Bedeutung ist? Weil Almut Oudijk gestern, bei den ersten gerichtlichen Güte- und Verhandlungsterminen, den Parteien zu bedenken gab, die Dauer der Verfahren könnte — so wie sie beantragt und ohne (Teil-)Einigungen durchgezogen werden — ihre, also Oudijks, Pensionsgrenze erreichen. Bei Richtern liegt diese in der Regel bei 65 Jahren.

Um das vorweg zu nehmen: Eine Chance auf Einigung, jedenfalls in den entscheidenden Punkten, besteht nicht. Zu gegensätzlich sind die Positionen, zu schwerwiegend die gegenseitigen Vorwürfe. Zusammengefasst wird darüber gestritten, welche Rolle der tödliche Unfall beim Kraftwerksbau im Jahr 2007 für die 55-monatige Verzögerung bis zur Fertigstellung der Anlage spielt und ob dieses Unglück vorhersehbar und vermeidbar war.

Rückblick: 2003 beauftragt die RWE Power AG (Essen) ein Konsortium von Werkunternehmern, bestehend aus der Hitachi Power Europe GmbH (Duisburg), der Hitachi Ltd. (Japan) und der Alstrom Power Systems GmbH (Mannheim), mit der Errichtung von Dampferzeugern für die Blöcke F und G des BoA-Kraftwerks in Neurath. Vertraglich umfasst ist die Planung, Konstruktion, Fertigung, Montage und Inbetriebnahme der Anlagen. Eine Klausel sieht einen Haftungsausschluss für den Fall vor, dass es aufgrund von höherer Gewalt nicht oder verspätet zur Inbetriebnahme kommt.

Strittig ist, ob das, was dann 2007 passiert ist, höhere Gewalt oder als „betriebsinternes Ereignis“ (RWE) nach menschlichem Ermessen vorherseh- und verhinderbar war. Fakt ist, dass sich am 25. Oktober in Block F ein etwa 450 Tonnen schweres Konstrukt aus Stahlträgern aus 100 Metern Höhe löst, zu Boden stürzt und unter anderem eine Kesselwand durchschlägt. Drei Arbeiter kommen bei dem Unglück ums Leben, sechs weitere werden zum Teil schwer verletzt. Der Bau der Anlage verzögerte sich deshalb. Das ist unstrittig.

Mitte 2012 hat RWE Klage auf Ersatz der durch die verspätete Fertigstellung entstandenen Schäden eingereicht. Insgesamt belaufen die sich auf rund 1,4 Milliarden Euro. Der Unfall, sagt das Unternehmen, habe dabei keine gravierenden Auswirkungen auf die insgesamt 55-monatige Verzögerung gehabt. Vielmehr sei diese durch erhebliche Pflichtverletzungen des Konsortiums entstanden. Diese hätten sich bereits vor dem Unglück abgezeichnet. Das Konsortium bestreitet und klagt seinerseits auf Zahlung von etwa 290 Millionen Euro — Vergütungsansprüche aus den Arbeiten an den Anlagen.

Eine schnelle Klärung ist ausgeschlossen. Allein strittige Einzelposten mit einem Volumen von sieben Millionen Euro könnten voraussichtlich nur mit zahlreichen Zeugen und Sachverständigen geklärt werden. „Staatliche Gerichte sind nicht für einen solchen Fall gewappnet“, sagte Almut Oudijk gestern. „Ihre Verfahren sind nur drei Verfahren von 400.“