Wie schlecht es um die Sportanlage in Erfttal steht, wird immer dann deutlich, wenn der Regen den Ascheboden aufweicht und sich tiefe Pfützen bilden. An Training ist dann für die Teams der SG Erfttal längst nicht mehr zu denken. Im Juni feiert der Sportverein seinen 50. Geburtstag – und die Bezirkssportanlage gleich mit ihm. Seit Jahrzehnten hat sich hier nicht viel getan, weiß der Vereinsvorsitzende Yaşar Çalik. Er sieht den Verein nun mit den Konsequenzen der ausbleibenden Sanierung konfrontiert. Den Teams fehle es an Trainingszeit, Spiele müssten ausfallen, wenn es stark regnet. Und Jungen und Mädchen können an der Anlage nicht gleichzeitig trainieren, weil es nicht genügend Duschen gibt, um die Geschlechter zu trennen. „Das Geld, das wir von der Stadt für die Pflege der Anlage bekommen, reicht lange nicht aus“, sagt Çalik. Kurzum: Es muss sich etwas ändern.
SPD stellt einen Antrag
für den Stadtrat
Nach Einschätzung der SPD Neuss könnte genau das bald passieren. Sie antizipiert, dass in den nächsten Sitzungen des Sportausschusses der Stadt eine Richtungsentscheidung über das Sportangebot in Erfttal gefällt werden könnte. Konkret heißt es in einem Antrag der Partei im Stadtrat, dass für die marode Sportanlage „eine Neukonzeption als Kinder- und Jugendsportzentrum“, aufgestellt werden soll. Wie ein solches Zentrum aussehen könnte, soll gemeinsam mit dem Sportverein, dem Stadtsportverband und den Kindern und Jugendlichen in Erfttal erarbeitet werden. Denkbar sei beispielsweise der Bau eines Multifunktionsspielfeldes, die Errichtung von Basketballkörben oder Outdoor-Fitnessgeräten.
Dass die Verbesserung des Sportangebots in Erfttal längst überfällig ist, zeigen Zahlen, die der Stadtsportverband über „Neuss macht mobil“ an Erfttaler Grundschulen ermittelt hat. 72 Prozent der Erfttaler Kinder im zweiten Schuljahr sind demnach in keinem Verein aktiv. 90 Prozent können nicht schwimmen und 27 Prozent gelten in der zweiten Klasse bereits als übergewichtig. Der sanierungsbedürftige Ascheplatz der SG Erfttal scheint dabei zwar der Kern des Problems, aber gleichzeitig nur teilweise der Grund zu sein, weshalb so viele Kinder und Jugendliche in Erfttal vereinslos sind. Bis vor Kurzem sei der Verein nur von ehrenamtlichen Übungsleitern getragen worden, um die Mitgliedsbeiträge möglichst gering zu halten, sagt Yaşar Çalik. Weil es aber immer weniger Ehrenamtler gab, verkleinerte sich auch das Sportangebot. Dazu kamen die Tage, an denen der Ascheplatz nicht bespielbar war und der ohnehin für Kinder und Jugendliche wenig attraktive Belag des Platzes. „Viele haben uns als Verein längst abgeschrieben“, sagt der Vorsitzende.
Auch Heinz Sahnen von der CDU Neuss und zweiter Vorsitzender der SG Erfttal hält die Rahmenbedingungen, unter denen der Verein agieren muss, für problematisch. „Neben den Kunstrasenplätzen in Norf und Gnadental stehen wir im Wettbewerb schlecht da“, sagt er. Trotzdem, so Sahnen, bemühe sich der Verein, Kinder und Jugendliche an den Sport zu bringen. Ab diesem Jahr veranstaltet der Sportverein in Kooperation mit der Grundschule die „Open Sundays“, bei denen er sein Programm an zehn Terminen über das Jahr verteilt bei Kindern vorstellen will. Außerdem, so Calik, überarbeite der Verein sein Konzept und sammle finanzielle Mittel, um bezahlte Übungsleiter zu beschäftigen und das Angebot insgesamt breiter aufzustellen.
Yaşar Çalik würde eine Sanierung der Anlage begrüßen. Auch damit Jungen und Mädchen künftig gleichzeitig auf dem Platz trainieren können. Oberste Priorität habe aber, dass der Vereinsbetrieb ohne Unterbrechung stattfinden kann. Für ihn kommt nicht in Frage, dass die aktuelle Sportanlage aufgegeben wird, während an einem neuen Konzept gearbeitet wird. „Kinder und Jugendliche müssen die politischen Fehlentscheidungen tragen“, kritisiert er.
Auch Ridvan Ucar weiß, wie wichtig Sport für die Jugendlichen in Erfttal ist. Er ist Streetworker für den Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) in dem Stadtteil und begleitet unter anderem die Jugendlichen, die sich im Containerdorf am Kirmesplatz aufhalten. „Die Erfttaler Jugendlichen wohnen oft in beengten Wohnverhältnissen“, sagt er. Weil sie zu Hause keine eigenen Zimmer haben, verbringen sie laut Ucar einen Großteil ihrer Freizeit draußen. Bis vor eineinhalb Jahren hingen zwei Basketballplätze des SKM am Kirmesplatz, den die Jugendlichen außerhalb der Schützenveranstaltungen nutzen konnten. Im Sommer sei der Platz von über 100 Jugendlichen aller Nationalitäten genutzt worden. „Sport ist auch Kommunikation – und Integration“, sagt Ucar. Dann habe die Stadt die Körbe abmontiert. Warum, weiß er bis heute nicht genau. Lange habe er gekämpft, bis die Stadt vor einem Monat wieder angefangen habe, neue Basketballkörbe zu montieren.
Ob sich in der aktuellen Legislaturperiode noch etwas an der Sportsituation in Erfttal ändern wird, bleibt auch mit dem Antrag der SPD offen. Der Sportverband zeigt sich skeptisch, da durch die Kommunalwahlen im Herbst und eine Neubesetzung im Sportamt auch personell noch viel passiert. Der Vorsitzende des Verbands, Gösta Müller, ist sich jedoch sicher: „Die SG Erfttal muss sich für die Zukunft neu aufstellen und Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen.“ Und auch ein Angebot, das frei und ohne Vereinsbindung nutzbar sei, müsse Einzug nach Erfttal erhalten.