Stolpersteine werden nicht versetzt
Die Verwaltung lehnte eine entsprechende Beschwerde eines Hauseigentümers im Ausschuss ab.
Neuss. Sie heißen Stolpersteine, und wenn der Künstler Gunter Demnig sie als Metalltafeln in die Bürgersteige in halb Europa einlässt, erinnert er so an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors. An 25 Standorten in der Stadt gibt es sie, an einem ist nun ein Streit über die Verlegung der Stolpersteine entbrannt. Der Eigentümer eines Wohnhauses in Neuss hat die Stadt dazu aufgefordert, die vor seinem Haus verlegten Stolpersteine zu entfernen und an anderer Stelle einzusetzen, weil Bewohner beim Verlassen des Hauses Betrachtern der Stolpersteine direkt in die Arme liefen. Ansonsten würde er die Genehmigung für eine Gedenktafel an anderer Stelle widerrufen. Mit dieser Eingabe wandte der Hauseigentümer sich an den Beschwerdeausschuss der Stadt.
Die Stadt lehnt das ab. Die Begründung des Neussers sei nicht nachvollziehbar: „In Deutschland und Europa wurden in den vergangenen 20 Jahren bereits über 50 000 solcher Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Bislang wurde kein Fall einer Verkehrsgefährdung, Beeinträchtigung der Fußgängerströme oder gar folgenreichen Kollisionen mit vor den Stolpersteinen hockenden Personen bekannt.“ Auch habe es noch nie eine Versetzung von Stolpersteinen gegeben. Die Hauseigentümer waren für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen.
Wenn Stolpersteine verlegt werden, überprüft das Stadtarchiv vorher den Fall nicht nur wissenschaftlich, sondern klärt auch ab, ob der Eigentümer des angrenzenden Wohnhauses auch einverstanden ist — obwohl die Stolpersteine auf öffentlichem Grund verlegt werden. „In einem anderen Fall in Neuss haben wir bereits einmal eine Ablehnung des Hauseigentümers bekommen“, sagt Metzdorf. „Dort hat die Verlegung dann auch nicht stattgefunden.“
Auch in diesem Fall habe man beim Hauseigentümer nachgefragt, betont Stadtarchivleiter Jens Metzdorf. Mehrmals habe es Briefwechsel und Telefonate gegeben. Das räumt der Neusser auch ein. „Aber ich habe keine Entscheidung getroffen“, betont er in seiner Beschwerde. Metzdorf entgegnet, Künstler Demnig und Sponsoren hätten über ein Jahr gewartet mit der Aktion: „Wir mussten etwas unternehmen.“ In einem letzten Brief war dem Eigentümer die Gelegenheit zum Widerspruch mit einer Frist von drei Wochen gegeben worden. Es folgte aber keine Reaktion. Einige Zeit später verlegte Demnig die Stolpersteine. „Erst nach der Verlegung folgte vehementer Protest“, sagt Metzdorf.
Auch dem Einwand des Neussers, der Hauseingang habe zur damaligen Zeit an ganz anderer Stelle gelegen, widersprach der Archivleiter: „Aus der damaligen Bauakte geht deutlich hervor, dass das Haus und der Eingang genau dort lagen.“
Der Ausschuss lehnte die Beschwerde des Eigentümers ab und stimmte der Verwaltung in dem Streit zu. Cornel Hüsch, sachkundiger Bürger für die CDU, sagte: „Wir tragen keine Schuld. Aber wir können Schuld auf uns laden, indem wir vergessen und verdrängen.“