Sven Thurau trotzt den Tour-Stars
Der 18-Jährige vom VfR Büttgen fuhr bei der 14. Tour de Neuss einer Reihe von Elitefahrern davon und auf Rang vier.
In Neuss geht einfach nichts ohne Herbert Napp. Selbst das Wetter hatte das dienstälteste Stadtoberhaupt in Nordrhein-Westfalen voll im Griff. Als die Blicke der Radprofis und der mehr als 10 000 Zuschauer kurz vor dem Start der 14. Tour de Neuss besorgt zum wolkenverhangenen Himmel wanderten, stellte der Schirmherr gelassen fest: „Solange ich mich erinnere, war das Rennen immer regenfrei — und das wird auch heute der Fall sein.“ Die vom Neusser Radfahrerverein verantwortete Sportparty wurde in der Tat nur von einigen vereinzelten Tropfen begleitet — am Ende schälte sich sogar noch die Sonne aus dem bedrohlichen Grau.
Die 42 Jungs auf ihren schnittigen Rennmaschinen gaben trotzdem mächtig Gas. Schon um 21.02 Uhr, gerade mal 1:44,41 Stunde nach dem Startschuss, fuhr der glückliche Sieger Paul Voss (Team Bora-Argon 18) mit hochgestreckten Armen über die Kaiser-Friedrich-Straße.
Paul Voss, Sieger
Trotz der noch frischen Eindrücke seines zweiten Auftritts bei der Frankreich-Rundfahrt verriet der Rostocker (29) im Gespräch mit Moderator Volker Koch, der das Publikum an der Strecke gemeinsam mit Christian Stoll und Tobias Stümges sachkundig, aber stets locker-leicht durchs gut vierstündige Programm führte: „Auf der Zielgeraden hatte ich Gänsehaut!“ Ganz nüchtern kommentierte er indes seine Alleinfahrt ins Glück: „Nach drei Wochen Tour de France waren meine Beine nicht mehr ganz so frisch, darum habe ich versucht, die Entscheidung schon vorher einzuleiten.“
Entscheidend unterstützt wurde er dabei vom erst 18-jährigen Sven Thurau (Team Rockpalast Marcello). Der beim VfR Büttgen von Trainer Hans-Peter Nilges ausgebildete Nachwuchsmann gehörte wie Vorjahressieger Andreas Schillinger (Team Bora-Argon 18), Marcel Sieberg (Team Lotto-Belisol), wichtigster Helfer von Supersprinter André Greipel, Tour-Dauergast Christian Knees (Team Sky), Patrick Gretsch (Team AG2R La Mondiale), Nikias Arndt (Team Giant-Alpecin) und Voss zu einer siebenköpfigen Spitzengruppe, die sich in der 50. Runde energisch vom Hauptfeld gelöst hatte.
Die hochkarätig besetzte Fluchtgruppe hemmte Thurau allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: In der 65. Runde überraschte er seine prominenten Kollegen mit einer kühnen Attacke, die ihm zwischenzeitlich einen Vorsprung von sieben Sekunden bescherte. Dass ihn Paul Voss noch stellte und ab der 73. Runde im Alleingang zum Sieg spurtete, ließ den kecken Büttgener kalt: „Mit so etwas hatte ich vorher doch nie gerechnet.“
Der Lohn für seinen überaus beherzten Auftritt: Platz vier und die Auszeichnung zum kämpferischsten Fahrer, mit der der NRV seit 2009 an seinen 2008 verstorbenen Vorsitzenden Friedhelm Hamacher erinnert. Ein Ehrentitel, mit dem sich zuvor auch schon Klassefahrer wie Andreas Beikirch, Markus Fothen, Danilo Hondo und Nils Schomber schmückten. Mit Voss auf Podium stiegen der Deutsche Straßen-Vizemeister Nikias Arndt und Patrick Gretsch. Auf Sven Thurau folgten Christian Knees, der in Neuss 2012 triumphiert hatte, Marcel Sieberg, im Vorjahr Zweiter auf der Kaiser Friedrich-Straße, und Andreas Schillinger.
Sie alle hatten an einem höchst spektakulären Rennen mitgewirkt, das die Zuschauer in 80 ein Kilometer langen Runden in Verzückung versetzte. Stephan Hilgers, Vorsitzender des Neusser Radfahrervereins, wertete dies als Auftrag, mit ganzer Kraft für den Fortbestand dieser Veranstaltung zu kämpfen. „Es muss weitergehen!“