Theater: Zwei Liebende und die Macht der schwarzen Wände
Das Rheinische Landestheater zeigt eine Bühnenfassung von „Gegen die Wand“. Das Stück ist rau und zärtlich — wie der Film.
Neuss. Wenn ein menschlicher Körper mit voller Wucht gegen eine Metallwand prallt, dann ergibt das einen unschönen Knall. Schwer auszuhalten wird es, wenn dieser wild gewordene Körper immer wieder den Schmerz sucht. In Fatih Akins Film „Gegen die Wand“ versucht der 42-jährige Cahit sich durch einen Autounfall umzubringen, in der Bühnenfassung von Esther Hattenbach, die am Samstag im Rheinischen Landestheater Premiere feierte, springt Cahit stattdessen immer wieder gegen die Wand — das Theaterstück nimmt den Filmtitel wörtlich.
Die dunklen Wände der Bühne, die in der Tiefe zusammenlaufen und so eine beengte Atmosphäre schaffen, leiden im Laufe der Handlung ebenso wie die Protagonisten. Immer wieder springt jemand gegen die Kulisse, es wird getreten, ein Stuhl fliegt. Der Inszenierung gelingt es mit Bravour, die raue Sprache des Films aufzugreifen, der eine Tragödie, eine Komödie und im Kern eine Liebesgeschichte ist.
„Gegen die Wand“ erzählt von der 20-jährigen Türkin Sibel, die nach einem Selbstmordversuch in einer psychiatrischen Klinik den 42-jährigen Cahit kennenlernt. Sibel will ihrem traditionell orientierten Elternhaus entfliehen und fragt den Deutsch-Türken Cahit, ob er mit ihr eine Scheinehe eingehen will. Doch der Plan gerät außer Kontrolle, als sich das Ehepaar ineinander verliebt. Cahit wird eifersüchtig. Nach einer Provokation bringt er einen Nebenbuhler um, Sibel flieht nach Istanbul. . .
Ebenso wie der Film versteht es die Theaterfassung, die Geschichte nicht in ihren Konflikten ersticken zu lassen. So ist Humor auch in der Neuauflage ein wichtiges Element der Handlung. Zum Beispiel als Cahit — verwuschelte Haare, unrasiert, immer neben der Spur — mit seinem Freund Seref, den er als seinen Onkel anpreist, Sibels Famile besucht. Er will offiziell um die Erlaubnis für die Hochzeit bitten. Peinliche Stille setzt ein, die nur von dem lächerlichen Geräusch durchbrochen wird, das vier Tassen machen, wenn die Löffel beim Umrühren gegen das Innere stoßen.
Esther Hattenbach versteht es, den Filmstoff für die Bühne zu straffen. Die Schauspieler treten immer wieder an die Mikrofone und erzählen die Handlung weiter. Doch die wichtigen Momente, die Gewalt, die Nähe, spart das Stück nicht aus. Emilia Haag (Sibel) und Michael Putschli (Cahit) tragen an dem Gelingen der teils hoch emotionalen Szenen den größten Anteil.
An Hattenbachs „Gegen die Wand“ ist nicht viel falsch. Höchstens wird derjenige enttäuscht, der sich von dem Bühnenstück einen größeren Mehrwert gegenüber der Kinoversion versprochen hat. Neue Dimensionen werden dem Stoff auf der Bühne nur in Ansätzen verliehen. Dafür ist die Adaption an sich mehr als gelungen.
Die nächste Aufführung von „Gegen die Wand“ ist am Donnerstag, 7. April.