Undenkbar: Weihnachten ohne Kerzen

Oberpfarrer Assmann spricht von der Sehnsucht nach Erlösung und Erfüllung.

Neuss. November, Dezember, die dunklen Wochen mit langen Nächten. Furcht und Unbehagen bedeutete das nur zu oft für die Menschen in einer Zeit, als sich der Lebensrhythmus nach dem Tageslicht richtete — und Kerzen teuer waren. Etwas ist davon geblieben, und sicher ist die Freude am Licht, am Schein der Kerzen gerade in der Weihnachtszeit religiöses Empfinden ebenso wie unbewusste Erinnerung an diese alte Angst vor dem Dunkel. Das sieht auch Oberpfarrer Guido Assmann so.

Profan oder sakral: „Das Licht der Kerze in der Dunkelheit spricht uns an, es spricht für sich, ohne dass man es erklären müsste. Und dann ist auch ein religiöser Grund da, eine Sehnsucht nach Erlösung und Erfüllung“, agt der Oberpfarrer von St. Quirin.

Manfred Becker-Huberti, Theologe und Brauchtumsforscher aus dem Rhein-Kreis, spricht die christliche Lichtsymbolik an, die alte Metaphern aufnimmt: Jahwe als Feuersäule, der Schutz der Israeliten beim Auszug aus Ägypten, der brennende Dornbusch, Jesus selbst als „das Licht der Welt“. Nicht zuletzt symbolisieren Kerzen die Nächstenliebe, weil sie Licht und Wärme abgeben und sich dabei selbst verzehren.

Im Advent und zu Weihnachten erhalten Licht und Kerzen eine Bedeutung wie sonst nur noch in der Osternacht. Im Advent nimmt die Zahl der Kerzen am Kranz zu — ursprünglich gab es an dem vor 200 Jahren von dem evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern erdachten Kranz für jeden Tag ein Licht. Immer heller wird es, wenn es auf Weihnachten zugeht. Jesus selbst wird in der symbolisch längsten Nacht geboren, als „Licht vom Licht“, wie es bei Johannes steht.

Eine neue Entwicklung ist die weite Verbreitung des Lichts von Bethlehem, das Pfadfinder in die Welt tragen — so auch im Rhein-Kreis Neuss. Auch hier gebe es in der Weitergabe des Lichts eine tiefere Bedeutung für die Menschen, sagt Manfred Becker-Huberti: „Man könnte die eigene Kerze ja auch schlichtweg mit dem Feuerzeug anzünden.“

Dass Jesus in der Dunkelheit geboren wurde, belegt für Pfarrer Assmann die Lichtsymbolik, es sei aber weit mehr als das. „Es kommt eine Erlösung, es kommt ein Licht, heißt es bei Jesaja und Jeremia. Jetzt feiern wir, weil wir glauben, dass das mit der Geburt Christi Wirklichkeit geworden ist.“

Zwei Messen gebe es, sagt Pfarrer Assmann, die nur in der Nacht, zumindest in der Dunkelheit gefeiert werden könnten: die Christmesse und die Messe in der Osternacht. Noch heute, darauf verweist Manfred Becker-Huberti, feiern die Zisterzienser im Kloster Langwaden erst ab Mitternacht — und dann langanhaltend.

Weihnachten ohne Kerzen? „Völlig undenkbar“, sagt Manfred Becker-Huberti und wird damit wohl kaum auf Widerspruch stoßen. Aber er ergänzt auch: „Wobei weniger oft mehr sein kann . . .“