Whitesell: Bangen um das Überleben der Traditionsfirma
Beschäftigte des Unternehmens in der Nachfolge von Bauer & Schaurte gehen am Samstag auf die Straße.
Neuss. Die leidgeprüften Mitarbeiter des insolventen Unternehmens Ruia Global Fasteners — ursprünglich Bauer & Schaurte — hatten gewarnt: Die Übernahme des traditionsreichen Autozulieferers im Neusser Norden durch das US-Unternehmen Whitesell verheiße nichts Gutes. Wenige Monate später scheinen sich die üblen Ahnungen zu bewahrheiten: Im Neusser Werk und an den anderen drei Standorten Neuwied, Beckingen und Schrozberg fürchtet man die Schließung.
Betriebsrat und OG Metall machen mobil. Am Samstag wollen die Mitarbeiter ab 10 Uhr vom Werksgelände an der Zufuhrstraße durch die Innenstadt zum Markt ziehen. Dort findet ab 11 Uhr eine Kundgebung statt.
Heiko Reese, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf/Neuss, sagt unumwunden: „Es muss Schluss sein mit Whitesell. Er hat von Anfang an darauf abgezielt Geld abzuschöpfen, ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze. Wir fordern Whitesell auf, sich aus dem Unternehmen zurückzuziehen.“
Das 140 Jahre alte Unternehmen, das mit der Erfindung des Inbus-Schlüssels („Innensechskantschraube Bauer und Schaurte“) weltberühmt wurde, hatte in letzter Zeit in vier Jahren zwei Insolvenzverfahren durchlaufen, bis es im Januar von Whitesell übernommen wurde. Vehement hatten sich Mitarbeiter wie die Ruia-Geschäftsführung gegen die Übernahme gewehrt. Whitesell erklärte damals in einer Pressemitteilung, man wolle weder die Geschäftsbeziehungen noch die Zukunftsfähigkeit von Ruia gefährden. 150 Milionen Euro in den kommenden Jahren waren angekündigt.
Der neue Investor habe es geschafft, innerhalb von fünf Monaten die gute und stabile Kundenbasis zu zerstören, sagt Heiko Reese nun. So habe Whitesell die Preise um 30 Prozent angehoben, statt einer Zahlungsfrist von 90 Tagen auf Vorkasse gedrungen und bei Ablehnung mit Lieferstopp gedroht. Seit zwei Wochen, sagt Reese, werde nun VW nicht mehr beliefert, auch Ford habe seine Geschäftsbeziehungen mit Whitesell beendet.
„Seit dem 1. Januar bis heute konnte kein einziger Kundenvertrag geschlossen werden. Die vorhandene Arbeit reicht voraussichtlich noch zwei Wochen“, schreibt Reese in einem Brandbrief an Bürgermeister Napp, Landrat Petrauschke, Landtags- und Bundestagsabgeordnet aus dem Rhein-Kreis Neuss.
„Wenn es so weitergeht wie jetzt, wird das Unternehmen das Jahresende nicht überleben“, sagt Heiko Reese. Er sieht nur eine Möglichkeit, die Firma zu retten: Whitesell müsste sich zurückziehen, ein anderer übernehmen. Das auch auf Kosten eines weiteren Insolvenzverfahren: „Wir müssen jetzt nach dem letzten Strohhalm greifen.“
In Neuss arbeiten etwa 300 Mitarbeiter am alten Standort, insgesamt sind es 1300 Beschäftigte.