Zwei Neusser unter Berliner Opfern

Das Schicksal der Mutter ist noch unklar, ihr Sohn wurde schwer verletzt. In der Stadt herrscht große Anteilnahme.

Neuss. Hinweise gab es schon früh, doch erst am Abend verdichteten sie sich zur Gewissheit: Unter den Opfern des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt waren auch zwei Neusser. Mutter und Sohn, die seit Samstag für einen vorweihnachtlichen Kulturtrip in der Hauptstadt waren — und sich am Vorabend der geplanten Heimreise auf dem Weihnachtsmarkt noch einen Absacker genehmigen wollten. Doch durch den Glühweinstand, in dem es sich beide dazu gemütlich gemacht hatten, raste wenig später der Lastwagen des Attentäters, erfasste und verletzte den Sohn schwer und trennte ihn von der Mutter. Über deren Schicksal konnten Sohn und Ehemann bis gestern Abend keine Gewissheit erlangen. „Wir rechnen mit dem Schlimmsten“, sagte der 40-Jährige.

Dem Vernehmen nach hatten sich Angehörige bereits am Montagabend, keine zwei Stunden nach dem Anschlag, bei der Polizei in Neuss gemeldet und in großer Sorge erklärt, dass sie den Kontakt zu ihren Familienmitgliedern in Berlin verloren hätten. Auf Anfrage bestätigte Landrat Hans-Jürgen Petrauschke als Chef der Kreispolizei gestern Abend, dass mit Bezug auf die Berliner Todesfahrt eine Vermisstenanzeige eingegangen sei. Darüber habe man das BKA informiert. Die Neusser Polizei helfe nun bei der Identifizierung, die letztlich Klarheit bringen müsse.

Auch Bürgermeister Reiner Breuer war den ganzen Tag über bemüht, Klarheit zu gewinnen. Der Hinweis auf mögliche Neusser Opfer war am Morgen bekannt geworden, doch bis zum Abend lag ihm keine behördliche und offizielle Bestätigung vor. Dann aber sagte er: „Es ist schmerzlich zu erfahren, wie nah ein solcher terroristischer Anschlag auch für uns in Neuss sein kann.“ Auch sein ganzes Mitgefühl gelte den Angehörigen.

Foto: Woitschützke (3)/Stadt

Die auf Anordnung von Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) schon gestern erhöhten Sicherheitsvorkehrungen waren auf dem Neusser Weihnachtsmarkt gut sichtbar. Mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen waren Polizeihauptkommissar Mark Mühleis und Polizeikommissarin Hanna Wolf auf Streife unterwegs — immer im Wechsel mit anderen Kollegen. Gut erkennbar drehten die Polizisten ihre Runde durch die Budenstadt auf dem Münsterplatz.

Am Abend gab es auf dem Weihnachtsmarkt eine Schweigeminute. Dass Neusser unter den Opfern von Berlin sind, war zu diesem Zeitpunkt öffentlich noch nicht bekannt. Den ganzen Tag über konnten sich Neusser in ein Kondolenzbuch eintragen, das Breuer im Rathaus auslegen ließ und in das er sich als Erster einschrieb. Auf dem Münsterplatz versuchte er am Abend, tröstende Wort zu finden.

Nach der Schweigeminute wurde in der Basilika St. Quirin eine heilige Messe gefeiert. „Wir wollen beten für die Verstorbenen. Und wir wollen beten für die Verletzten, auf dass sie wieder gesund werden“, sagte Pfarrer Wilfried Korfmacher. Den ganzen Tag wurden Kerzen in der Neusser Basilika bereit gehalten, die angezündet werden konnten — als Zeichen der Solidarität, der Trauer, aber auch für Versöhnung.