Wiedersehen Tränenreiche Rückkehr nach zwei Jahren - Issa kann seine Mutter wieder in die Arme schließen
Düsseldorf · Zwei Jahre war der kleine Issa aus Duisburg von seiner Familie getrennt, weil er aus dem Libanon nicht in das Land seiner Geburt zurück durfte. Jetzt ist seine Leidenszeit endlich vorbei.
Der Flug PC 1003 aus Istanbul ist schon seit einer Stunde gelandet, da kommt Issa an Ausgang 6 des Düsseldorfer Flughafens endlich aus der Abfertigung um die Ecke. Der Dreijährige guckt erst, zögert einen Moment, dann breitet er die Arme aus und läuft seiner Mutter entgegen. Bedriye El Mehri will ihren Sohn gar nicht mehr loslassen, zwei Jahre musste die 28-Jährige auf dieses Gefühl verzichten. Ihr Mann Louay folgt seinem Sohn. Am Vormittag waren die beiden von Beirut aus aufgebrochen.
Nach der ersten Ewigkeit klopft Issa seiner Mutter mit der linken Hand auf die Schulter. Das sieht aus wie eine beruhigende Geste, vielleicht ist es aber auch nur die Verlegenheit eines kleinen Jungen, der nicht lacht, weint, ruft oder schreit, sondern immer weiter mit ungläubigem Augenausdruck auf den ganzen Trubel schaut: die beiden Schwestern, die Großeltern, Onkel und Cousins, die Journalisten, die privaten Helfer und die Aktivisten von der Petitionsplattform „Change.org“.
Fast 110 000 Unterstützer der Online-Petition
109 487 Menschen hatten bis zu seiner Ankunft die Online-Petition „Nicht ohne meinen Sohn“ unterzeichnet, hatten um die Weihnachtszeit noch mal mit E-Mails das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft im Libanon genervt, weil sie einfach nicht einsehen wollten, warum ein kleiner Junge nicht endlich zurück zu seiner Mutter nach Deutschland darf, in das Land, in dem er geboren wurde. Dort war der Fall auch schon Thema im Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtags gewesen. „Es freut uns, dass es mit Beharrlichkeit gelungen ist, das Kind zu seiner Familie zurückzubringen“, reagiert die Grünen-Politikerin Sigrid Beer auf Issas Rückkehr. Sie hatte den Fall federführend bearbeitet.
Es ist einer dieser Fälle, bei denen jeder normal empfindende Mensch sagt, dass so etwas nicht sein kann. Und bei denen sich dann immer Juristen oder Behördenexperten finden, die erklären, warum das alles sehr wohl sein kann. Es ist Dezember 2016. Bedriye El Mehri, kurdische Türkin und als Kind auf der Flucht vor Verfolgung nach Deutschland gekommen, reist mit ihrem kleinen Sohn in den Libanon. Die verstorbene Schwiegermutter soll in ihre Heimat überführt werden. Louay El Mehri bleibt zu Hause in Duisburg. Das Weihnachtsgeschäft erlaubt dem Paketboten keinen Urlaub.
Als Mutter und Kind am Beiruter Flughafen den Rückflug antreten wollen, weist ein deutscher Beamter den einjährigen Jungen zurück. Sein Aufenthaltsstatus ist ein anderer als der seiner Mutter, er darf nicht wieder zurück nach Deutschland. Issa bleibt bei seiner Tante, Bedriye El Mehri fliegt allein heim, um das Problem mit der Ausländerbehörde in Duisburg zu klären. Was folgt, sind die Abgründe des Ausländerrechts: Auch ihr Status ändert sich, sie erhält nur noch eine Duldung, darf daher nicht mehr ausreisen und ihren Sohn besuchen. Das kann nur der Vater ein paar Mal. Zwei Jahre sehen sich Mutter und Sohn nur noch per Skype.
Am Donnerstagnachmittag am Düsseldorfer Flughafen löst sich diese zweijährige Zerreißprobe in Wohlgefallen auf. Und in Tränen. Und in Fotos, Videos, Filmaufnahmen. Irgendwann am kommenden Wochenende, wenn der Trubel sich gelegt hat, wird die wiedervereinte Familie ein Restaurant besuchen und ein bisschen feiern. Issa wird vielleicht mit den Autos spielen, die ihm seine beiden größeren Schwestern Zahra (8) und Dunja (6) zum Flughafen mitgebracht haben. Und er wird beginnen, die arabische Sprache, die er mittlerweile beherrscht, um die ersten deutschen und türkischen Brocken zu ergänzen.
Im März soll Issas dritte Schwester geboren werden. Nach menschlichem Ermessen wird ihr ein ähnliches Schicksal erspart bleiben. Inzwischen hat ihre Mutter sowohl eine Arbeit als auch einen Aufenthaltstitel, die Familie ist von Duisburg nach Essen umgezogen, die Zeit der Ungewissheit scheint endgültig vorbei. Die dortige Ausländerbehörde sei ausgesprochen kooperativ, berichtet Simone Lankhorst erleichtert, eine private Unterstützerin, die den Fall und die Familie seit anderthalb Jahren begleitet.
Was sie als Erstes machen werde, wenn sie ihren Sohn wiedersehe, wird Bedriye El Mehri kurz vor seinem Eintreffen gefragt. „Ich werde ihn ganz fest drücken und nicht mehr loslassen. Und ich werde ihn bei mir schlafen lassen.“