Din-A-notwendig oder Din-A-Luxus? Schneller bauen durch klare Normen
Düsseldorf · NRW und Bayern setzen sich für ein Reform der Normen im Baurecht ein – denn es gebe jetzt eine „überbordende Normung“.
Gemeinsam werfen Nordrhein-Westfalen und Bayern als wirtschaftsstarke und bevölkerungsreichste Bundesländer ihr Gewicht in die Waagschale, um beim Bund eine Vereinfachung des Baurechts zu erreichen. Die Bauminister beider Länder, Ina Scharrenbach (NRW, CDU) und Hans Reichhart (Bayern, CSU), plädieren in einer Stellungnahme für eine grundlegende Reform der Normung.
Das Thema Bauen stehe, so schreiben die Minister in ihrem Papier, im politischen Fokus wie wohl nie zuvor. „Das beste Mittel, um den Engpass auf dem Wohnungsmarkt zu beseitigen, ist eigentlich ganz einfach: Bauen, Bauen und nochmal Bauen“, glauben sie. Doch derzeit lande jede Diskussion über schnelleres, einfacheres und günstigeres Bauen „letztlich beim Thema der überbordenden Normung“.
Gemeint sei damit keineswegs der gesetzliche Rahmen, denn den hätten Bund und Länder in den vergangenen Jahren vielfach überprüft und entschlackt. „Zwischenzeitlich finden sich in den Bauordnungen von Bayern und Nordrhein-Westfalen nur noch Vorschriften, die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unverzichtbar sind.“ Das gelte auch für Genehmigungsverfahren. Das Problem, das Scharrenbach und Reichhart im Auge haben, sind vielmehr die zahlreichen und weiter zunehmenden Normen durch private Institute, insbesondere das Deutsche Institut für Normung (Din).
Vorschlag: Gliederung in notwendige und Luxus-Normen
Dass diese Normen zum Großteil sinnvoll und notwendig sind, erkennen die Fachminister an und verweisen auf das wohl bekannteste Beispiel: das Din-A4-Blatt. Doch heute konkretisierten Normen oft nicht mehr nur die staatlichen Mindestanforderungen, sondern beschrieben Produktfortschritte – und weil bei Bauherren und in der Rechtsprechung Unsicherheit herrsche, welche Norm es denn nun zwingend einzuhalten gilt, werden die technischen Weiterentwicklungen zusehends zum Standard. Was gut für die Hersteller neuer Produkte ist; Normen, stellen Scharrenbach und Reichhart klar, „müssen aber dem Nutzen der Allgemeinheit dienen und dürfen nicht zu einem wirtschaftlichen Sondervorteil Einzelner führen“. Ein Sprecher des NRW-Bauministeriums bringt es auf den Punkt: „Wenn zu viele Details geregelt werden, wird es zur Plage.“
Der Vorschlag der Amtskollegen: Normen sollten im Baurecht künftig in drei Kategorien unterteilt werden, damit insbesondere private Bauherren und Kommunen Sicherheit gewinnen, welche Standards aus Sicherheitsgründen notwendig sind und welche nettes Beiwerk – die Minister umschreiben die Kategorien auf Englisch als „necessary“ (notwendig), „nice to have“ (was sonst noch möglich ist) und „luxury“ (laut Ministeriumssprecher der „Mercedes unter den Normen“).
Ein Beispiel gefällig? Der Einbau von Rauchmeldern, die es günstig in jedem Baumarkt gibt, ist ein Standard, der heute für Neubauten aus Sicherheitsgründen zwingend erforderlich ist. Dann gibt es aber die Normen-Reihe Din VDE 0100 zum Schutz gegen thermische Auswirkungen in Niederspannungsanlagen, zum Beispiel die Norm Din VDE 0100-420, die den Einbau von sogenannten Brandschutzschaltern zum Beispiel für barrierefreie Wohnungen und Holzhäuser vorschreibt. Diese Schalter sollen Lichtbögen etwa aus abgeknickten Elektroleitungen als mögliche Brandursache erkennen und den Stromkreis lahmlegen. Das ist eine Norm, die ein noch so kleines Risiko eliminieren soll – im Gesetz steht die Einbaupflicht nicht. Ein klassischer „Mercedes“.
Gelänge es, hier für Klarheit zu sorgen, was muss und was kann, so Scharrenbach und Reichhart in Richtung der Bundesregierung, „hat die Normung nicht nur Zukunft. Sie gestaltet dann auch das Bauen maßgeblich positiv mit.“