Schon über 100 Fälle Wie die Arbeit des NRW-Polizeibeauftragten aussieht

Düsseldorf · Vor fünf Monaten trat Thorsten Hoffmann seinen Dienst als Polizeibeauftragter an. Sein erster Eindruck: Die Polizei braucht mehr Kommunikationskultur.

In Thorsten Hoffmanns Fällen geht es von der Außendarstellung der Beamten bis zum Hilferuf wegen Mobbings.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Die ersten Fälle hatte Thorsten Hoffmann auf dem Schreibtisch – da hatte er noch gar keinen Schreibtisch. Sie erreichten ihn unmittelbar, nachdem das Landeskabinett ihn im Februar zum ersten Polizeibeauftragten Nordrhein-Westfalens bestellt hatte. Offiziell trat Hoffmann seinen Dienst am 1. März an. Nach fünf Monaten hatte er jetzt 113 Fälle, ein Drittel davon hat er bereits abgeschlossen.

Für den 58-Jährigen, der – so sagt er selbst – fast vier Jahrzehnte lang „ein knallharter Polizist“ mit mehr als 2000 Festnahmen war, zwischendurch aber auch für die CDU im Bundestag saß, ist es eine ganz neue Herausforderung: „Ich habe als Polizist fast alles erlebt und dennoch lerne ich immer noch dazu.“

Seine politische, vor allem aber die lange Polizeierfahrung helfen Hoffmann im neuen Amt. Viele kennen ihn – Begrüßungen und Glückwünsche, aber auch Sorgen und Nöte erreichen ihn neben öffentlichen auch über private Kanäle wie Whatsapp oder Facebook. Aber der neue Beauftragte will noch mehr: „Mein Anspruch ist, dass mich alle 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der nordrhein-westfälischen Polizei persönlich kennen.“

Thorsten Hoffmann ist Ansprechpartner für alle 50.000 Mitarbeiter der Polizei in NRW.

Foto: Innenministerium

Eine neue Stelle, direkt im Innenministerium

Deshalb bauen er und seine beiden Mitarbeiterinnen unter Hochdruck die neu geschaffene Stelle auf, während er schon draußen für das Angebot wirbt – etwa bei Fußballeinsätzen im Ruhrgebiet, bei der Streifenwagenbesatzung vor dem Innenministerium. Dort im Ministerium hat Hoffmann sein neues Büro, seine Stelle ist direkt bei Herbert Reul (CDU) angesiedelt. Die direkte Anbindung erleichtert ihm den Zugang zu den Fachreferaten, schafft direkte Drähte im ganzen Haus. Wäre es anders, so könnte er nichts bewegen. Und bewegen will der 58-Jährige.

Über den konkreten Inhalt seiner ersten Fälle darf der Polizeibeauftragte nicht sprechen. Nur so viel: Es reicht von Anregungen etwa für die bessere Außendarstellung einer Kreispolizeibehörde bis hin zu Mobbingvorwürfen. „Wenn hier ein erwachsener Mann zweieinhalb Stunden sitzt und davon eine halbe Stunde weint, dann kann das doch nicht sein“, sagt Hoffmann. Auffällig sei: „Sehr häufig hapert es an der Kommunikation.“

Manchmal brauche er gar nicht tief einzugreifen. In einem Fall sei ein dringender Wunsch eines Beamten von der Behördenleitung nicht erfüllt worden. Auf Nachfragen hatte das gute Gründe, die dem Mann erklärt wurden – und der Vorgesetzte entschuldigte sich für die fehlende Rückmeldung. Problem gelöst. „Diese Kommunikationskultur in der NRW-Polizei muss besser werden, da sehe ich Schwächen“, so Hoffmann. Denn: „Schlechte Dinge setzen sich fort. Und kleine Dinge, die nicht angesprochen werden, werden plötzlich ganz groß.“ Und letztlich signalisiere ein Mangel an Kommunikation fehlende Wertschätzung. Das Gegenteil aber bräuchten die Hüter der Sicherheit im Land.

Wenn in einem Monat die 2500 neuen Kommissaranwärter ihr Studium aufnehmen, wird Thorsten Hoffmann als Polizeibeauftragter in der Ausbildung, also  von der Pike auf, für eine offene Gesprächskultur und gegenseitige Verantwortung in der Polizei sensibilisieren. Auch in die Lehrgänge der Anwärter für den höheren Polizeidienst wolle er diese Themen verstärkt einbringen: „Diese sind ja die Führungskräfte von morgen.“

Für Belange der Bürgerinnen und Bürger nicht zuständig

Nicht zuständig ist Thorsten Hoffmann für Bürgerinnen und Bürger, die ein Problem mit der Polizei haben. Einen solchen unabhängigen Bürgerbeauftragten fordern die Grünen im NRW-Landtag und haben dazu einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Den von Reul eingeführten Polizeibeauftragten im Ministerium sehen sie mit elementaren „Konstruktionsfehlern“ behaftet. Hoffmann berichtet, er habe inzwischen die Fraktionen im Landtag besucht, aber auch etwa die Gewerkschaften, die Vorbehalte gegen die neue Instanz hatten. Viele, so glaubt der 58-Jährige, wurden inzwischen ausgeräumt.

Einen zentralen Bürgerbeauftragten hält er zudem nicht für zielführend. „Wenn ich eine Beschwerde über einen Beamten aus Herford bekomme und ihn darauf anspreche, habe ich doch gar kein Feeling für ihn – er könnte mir sonst was erzählen“, erklärt Hoffmann. Das dezentrale Beschwerdemanagement in den Kreispolizeibehörden, bei dem beide Seiten gehört, Ergebnisse jeweils zurückgemeldet und zur Not gemeinsam besprochen werden, funktioniere und sei „nachvollziehbar“.

Trotzdem wimmele er nicht gleich ab, wenn Bürger sich melden. Neulich habe eine Frau angerufen, deren Vater Polizist war und sich das Leben nahm – sie wollte wissen, was die Polizei da zur Prävention leistet. Achtet man genug aufeinander? Gibt es Hilfsangebote? Eine Anregung, die er sofort aufgenommen habe, um zu sehen, ob strukturelle Veränderungen erforderlich sind, so berichtet Hoffmann – passt das Thema doch genau in seine Mission für mehr Kommunikation und Verantwortung. Sein Ziel ist es eigentlich, die Position des Polizeibeauftragten überflüssig zu machen, bis er selbst in Pension geht. Ein paar Jahre hat er dazu noch.