Schutz vor Corona? Was Sie zu Antikörpertests wissen sollten
Service | Dortmund/Freiburg · Viele Menschen wollen wissen, ob sie nach einer Erkrankung oder Impfung gegen das Virus geschützt sind. Liefern Tests die erwünschte Antwort? Experten ordnen ein.
Nach einer überstandenen Coronavirus-Infektion besteht ein gewisser Immunschutz gegenüber dem Erreger. Doch wie stark ist dieser? Und wie lange hält er an?
Diese Fragen beschäftigen nicht nur die Wissenschaft. Auch viele Genesene wollen wissen, wie es um ihren Schutz gegen das Virus steht. Gleiches gilt für Geimpfte, die wissen wollen, ob ihr Körper einen Schutz gegen das Sars-CoV-2-Virus aufgebaut hat.
An dieser Stelle kommen Antikörpertests ins Spiel, zu denen man gleich vorweg sagen sollte: Absolute Gewissheit über den Immunschutz bringen sie nicht. Können sie sich dennoch lohnen - und wenn ja, für wen? Ein Laborarzt, ein Immunologe und ein Virologe erklären, was Sie rund um diese Tests wissen müssen.
Welche Antikörpertests gibt es?
Im Wesentlichen gilt es, zwei Varianten zu unterscheiden: Einerseits Tests, die die reine Anwesenheit von Antikörpern messen, andererseits Tests, die quasi deren Funktionalität gegenüber dem Virus prüfen.
Erstere liefern vor allem eine gesicherte Information: Ob man schon eine Corona-Infektion durchgemacht hat oder nicht. Bei Letzteren, den sogenannten Neutralisationstests, wird das Blutserum des Patienten im Labor mit Teilen des Coronavirus in Kontakt gebracht und es wird dann geprüft, wie „gut“ das Virus abgehalten wird.
„Je besser die Antikörper andocken, desto weniger Serum brauche ich dafür“, erläutert Thomas Lorentz aus dem Vorstand des Berufsverbands Deutscher Laborärzte. Eine absolute Sicherheit biete dieser Test zwar nicht, aber man könne schon sagen: „Ein positiver Neutralisationstest heißt fast immer, dass man geschützt ist.“
Der Immunologe Professor Carsten Watzl ordnet die Aussagekraft der Tests wie folgt sein: Zwar sei der Neutralisationstest präziser. Studien zeigten aber einen Zusammenhang zwischen der Menge von Antikörpern und der Menge neutralisierender Antikörper. „Anders gesagt: Wenn ich viele Antikörper im Blut habe, ist es höchst unwahrscheinlich, dass all diese Antikörper nicht an der richtigen Stelle des Virus ansetzen“, sagt der Experte von der TU Dortmund.
Das heißt: Auch einfache Antikörpertests liefern eine gewisse Schutzaussage. Aber die Aussagekraft ist eben begrenzt.
Wo sind die Grenzen der Tests?
Die Einschränkung der Tests ergibt sich daraus, dass einem kein seriöser Arzt zu sagen vermag, ab welchem Antikörper-Wert aus dem Labor man sicher vor einer Coronavirus-Ansteckung geschützt ist. „Es kann einem noch niemand sagen, ab welchem Wert man wirklich immun ist“, sagt Watzl. „Das kann man bei anderen Viren, soweit sind wir beim Coronavirus aber noch nicht.“ Es bleibt also selbst bei hohen Antikörper-Werten eine Restunsicherheit.
Laborarzt Lorentz erklärt: „Nach einer Infektion sinken Antikörper nach gewisser Zeit, und da besteht die große Frage, ob und bis wann noch Immunität besteht. Das wissen wir nicht. Was wir wissen, ist, dass wir nur wenige Doppelinfektionen kennen. Das heißt, da wird zelluläre Immunität noch da sein, die ist aber schwer messbar.“
Was kosten Antikörper-Tests?
Einfache Antikörpertests, bei denen der Hausarzt Blut abnimmt und zur Analyse ins Labor schickt, kosten nach Angaben von Lorentz 17,50 Euro, Neutralisationstests liegen bei 50 bis 60 Euro.
Es gibt auch Tests für daheim, bei denen man sich etwas Blut aus der Fingerkuppe nimmt und dieses für eine Laboranalyse einschickt oder es direkt auf eine Testkassette träufelt - ähnlich wie bei einem Antigen-Schnelltest, der auf eine akute Corona-Infektion testet.
Lorentz rät von Antikörpertests zum Selbermachen aber ab. Zum einen sei die Blutentnahme für Patienten oft schwer - „das kann man vernünftig beim Hausarzt machen lassen.“ Zum anderen wüssten viele mit dem Ergebnis, das sie dann bekommen, nicht so recht etwas anzufangen. Testkits, bei denen man die selbst entnommene Blutprobe einschickt, schlagen online durchaus mit 50 bis 70 Euro zu Buche.
Welche Arten von Antikörpern gibt es überhaupt?
Vor allem drei Arten sind interessant. Sogenannte IgA- und IgM-Antikörper sind sozusagen die schnellen Eingreiftruppen gegen das Virus. Diese bilden sich rasch, doch ihr Spiegel im Blut sinkt nach der durchgemachten Infektion auch weitaus schneller als jene der dritten Gruppe: die sogenannten IgG-Antikörper.
IgG-Antikörper werden von „Gedächtniszellen“ gebildet, die teils lange im Körper bleiben können. Sie haben sich „gemerkt“, dass das Sars-CoV-2-Virus ein Feind ist. „Wer diese Gedächtniszellen noch hat, der kann schnell viele neue Antikörper produzieren, wenn es nötig ist“, erklärt Immunologe Watzl.
Das ist auch der Grund, warum Genese bei Impfstoffen, bei denen zwei Impfungen vorgesehen sind, nur eine Spritze bekommen. „Weil selbst Leute, die nur noch ganz wenig Antikörper haben, so stark reagieren, dass sie danach so hohe Antikörperwerte haben wie Menschen mit zwei Impfungen“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Und zwar aufgrund ebenjener Gedächtniszellen, die in dem Fall durch den Impfstoff wieder aktiv werden.
Zu welchem Zeitpunkt macht der Antikörpertest Sinn?
Der Körper bildet die IgG-Antikörper erst einige Tage nach der Infektion. Wenn der Test, wie es die Regel ist, auf diese Art von Antikörpern untersucht, lautet daher die allgemeine Empfehlung, ihn erst mindestens zwei Wochen nach der Infektion vorzunehmen.
Würde der Test etwa auf IgM-Antikörper testen, ist es indes gut möglich, dass er einige Wochen nach der Infektion bereits negativ ausfällt. „Tests auf IgA- und IgM-Antikörper haben sich bei Corona nicht bewährt“, sagt Laborarzt Lorentz.
Schützen Antikörper auch gegen Virusvarianten?
Von den Impfstoffen weiß man, dass der aufgebaute Schutz im Körper gegen unterschiedliche Varianten des Coronavirus unterschiedlich gut wirkt. „In dem Spike-Protein des Virus kann es zu Veränderungen kommen, so dass die nach der Impfung entwickelten Antikörper nicht mehr so gut passen - wodurch die Immunantwort nicht mehr so gut ist auf bestimmte Varianten“, erläutert der Virologe Professor Marcus Panning vom Uniklinikum Freiburg.
Aber, ob geimpft oder genesen: „Der Schutz ist vielleicht nicht mehr ganz so gut gegen die Varianten, aber immer noch ganz okay“, urteilt Panning. Das bedeutet: Vielleicht erkrankt man, aber in aller Regel nicht schwer. „Impfungen schützen relativ sicher vor einem tödlichen Verlauf. Bei Genesenen geht man auch davon aus“, sagt der Experte von der Gesellschaft für Virologie.
Und was ist, wenn der Antikörpertest negativ ausfällt?
Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass man nicht gegen das Virus geschützt ist. „Wir sehen Menschen, die eine leichte Infektion hatten, wo die Konzentration an Antikörpern relativ schnell abfällt“, sagt Panning. Das bedeutet auch: Deren Antikörpertest wird schnell negativ ausfallen. Dennoch könnte ein Schutz bestehen.
Das liegt daran, dass es neben verschiedenen Arten von Antikörpern einen zweiten Arm der körpereigenen Abwehr gibt: die T-Zellen. Diese stürzen sich nicht auf die Viren, um sie davon abzuhalten, an Körperzellen anzudocken. Sondern sie zerstören vom Virus befallene Körperzellen und spielen so eine wichtige Rolle bei der Immunantwort.
„Es kann sein“, sagt Panning, „dass man nach der Infektion eine relativ robuste T-Zellen-Immunität hat, die dafür sorgt, dass man trotz weniger oder gar keiner Antikörper weniger stark oder gar nicht erkrankt.“ Wer möchte, kann sein Blut im Prinzip auch auf die T-Zellen untersuchen lassen. Verschiedene Labormedizinerinnen und Labormediziner bieten solche T-Zelltests an.
Verschafft einem ein positiver Antikörpertest mehr Rechte?
Wer innerhalb der zurückliegenden sechs Monate eine Corona-Infektion durchgemacht hat, hat jeweils die gleichen Rechte wie vollständig geimpfte Personen. Ein positiver Antikörpertest ist hier aber kein Nachweis. „Bisher kann man nur mit einem positiven PCR-Test den Infektionszeitpunkt nachweisen“, sagt Immunologe Watzl. Dieser muss mindestens 28 Tage und darf höchstens sechs Monate alt sein.
Der Grund, warum ein Antikörpertest nicht als Nachweis durchgeht, erscheint einleuchtend: „Es gibt Menschen, die haben nach wenigen Wochen kaum Antikörper, andere haben nach 300 Tagen noch viele - das ist für die Handhabung der Öffnungen zu kompliziert“, sagt Watzl.
Das Ergebnis des Antikörpertests ist also vor allem eine Information für einen selbst und sein persönliches Umfeld. Denn der Hintergedanke ist ja oft auch: Kann ich mich nochmals anstecken und damit womöglich auch andere? Darauf sucht man eine Antwort.
Was bringt der Antikörpertest für Geimpfte?
Schauen, ob die Spritze wirkt - dieser Impuls ist nachvollziehbar, doch Carsten Watzl warnt vor Verwirrung: „Es gibt viele, die einen Antikörpertest nach der ersten Impfung machen lassen und sich dann wundern, dass die Werte so gering sind.“ Dabei sei es normal, dass nach der ersten Impfung oft noch wenig Antikörper vorhanden sind. Deshalb gibt es bei vielen Impfstoffen ja eine zweite Dosis.
Wann macht ein Antikörpertest also überhaupt Sinn?
Einen Zweck erkennt Watzl vor allem bei Menschen, die eine Immunschwäche haben oder die Medikamente einnehmen, die die Funktion des Immunsystems mindern (Immunsuppressiva). „Bei ihnen kann man nach der zweiten Impfung mal schauen, wie hoch der Antikörperspiegel ist.“ Für alle anderen - sowohl für Geimpfte als auch für Genesene - hält Watzl die Aussagekraft für „begrenzt“.
Ähnlich sieht es Virologe Panning. Auf die Frage „Habe ich vollen Schutz und kann ich mich entsprechend anders verhalten, oder nicht?“ lieferten diese Tests keine sichere Antwort. Panning sieht für private Anwender in der Regel keinen „unmittelbaren Nutzen“.
Laborarzt Lorentz rät: Wer eine Einschätzung zum Immunschutz gegen das Coronavirus haben möchte, sollte lieber einen Neutralisationstest vornehmen lassen. „Beim einfachen Antikörpertest fällt mir keine sinnvolle Indikation ein, wo man es machen sollte - außer man möchte nur wissen, ob man schon eine Infektion durchgemacht hat.“