Bilanz Energiekrise und Betrüger hielten Verbraucherzentrale im Ennepe-Ruhr-Kreis auf Trab
EN-Kreis · Die Beratungsstelle in Witten hat Bilanz für das Jahr 2022 gezogen.
„Dass so viele Menschen existenzielle Sorgen haben, weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, das habe ich vorher noch nicht erlebt“, sagt Nadine Schröer. Sie ist seit Oktober vergangenen Jahres Leiterin der Verbraucherzentrale des Ennepe-Ruhr-Kreises in Witten, die vor Kurzem ihren Bericht für das Jahr 2022 veröffentlicht hat. Das Ergebnis: Vor allem die Folgen der explodierenden Energiepreise haben vielen Verbrauchern im Ennepe-Ruhr-Kreis zu schaffen gemacht und für einen ungewöhnlichen Andrang auf die Beratungsstelle gesorgt. Mehr als ein Viertel der über 3000 Beratungen im Jahr 2022 drehte sich demnach allein um die Themen Energierecht, Energiesparen und horrende Rechnungen.
„Viele Leute waren angesichts der drastischen Erhöhung der Preise wirklich geschockt“, sagt Schröer. „Wenn sich etwa der Strompreis plötzlich verdoppelt, dann ist das für manche ein echtes Problem.“ In den Beratungsgesprächen sei es daher oft um drohende Energiesperren und mögliche staatliche Hilfeleistungen gegangen. Zudem hätten viele Energieversorger die Abschläge falsch berechnet, ordentlich erfolgte Kündigungen einfach ignoriert oder die Preise erhöht, obwohl ihre Kunden langfristige Verträge mit Festpreisgarantie hatten. „Die hohen Preise haben dafür gesorgt, dass die Verbraucher angefangen haben, ihre Rechnungen zu hinterfragen“, sagt Schröer. „Ich höre von vielen, dass sie vorher einfach bezahlt hätten, ohne groß darüber nachzudenken, ob das alles korrekt ist. Jetzt wollen die Menschen ihre Strom- und Gasrechnungen wirklich verstehen.“
Dubioses Fitnessstudio
beschert viele Anfragen
Neben Energiethemen beschäftigten im vergangenen Jahr auch verstärkt sogenannte Fake Shops, also betrügerische Online-Händler die Verbraucherzentrale. Viele Kunden hätten demnach im Internet Waren bestellt und dann nur billige Fälschungen oder im schlimmsten Falle gar nichts für ihr Geld erhalten. „Das Phänomen dieser Shops ist zwar nicht neu, aber es fällt auf, dass es 2022 vor allem Waren betraf, die infolge der Krisen entweder sehr teuer geworden waren oder bei denen es Lieferengpässe gab, etwa Brennholz oder bestimmte Elektronikartikel“, sagt Schröer. Wirklich helfen könne die Verbraucherzentrale in diesen Fällen allerdings kaum. Das Geld sei meistens weg, weil man an die Firmen schlichtweg nicht mehr herankomme. Schröer empfiehlt daher, vermeintlichen Schnäppchen mit Skepsis zu begegnen und die Webseite der Anbieter genauer unter die Lupe zu nehmen. „Von Webshops ohne Allgemeine Geschäftsbedingungen oder ein vernünftiges Impressum sollte man grundsätzlich die Finger lassen“, rät sie.
Doch nicht nur Betrügereien im Internet hielten die Verbraucherzentrale im vergangenen Jahr auf Trab. Auch die dubiosen Machenschaften eines Wittener Fitnessstudios bescherten der Beratungsstelle jede Menge Anfragen. „Mitarbeiter des Studios sind hier 2021 durch die Stadt gelaufen und haben viele Leute einen Zweijahresvertrag unterschreiben lassen, obwohl diese dachten, dass es nur um ein kostenloses Probetraining gehen würde“, sagt Schröer. Im Anschluss seien dann Mahnbescheide und Inkassoschreiben an die unfreiwilligen Neukunden verschickt worden, um die ausstehenden Mitgliedsbeiträge einzutreiben. Dabei hätte das Studio zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geöffnet gehabt. „Natürlich standen die Informationen irgendwo in den Unterlagen, die unterzeichnet wurden, aber die Verbraucher wurden überhaupt nicht auf ihr Widerrufsrecht hingewiesen und auch nicht informiert, als das Studio dann Mitte 2022 tatsächlich eröffnet hat“, so Schröer.
Insgesamt 3175 Anliegen hat die Wittener Verbraucherzentrale im Jahr 2022 per Telefon, E-Mail oder im persönlichen Kontakt in der Zentrale bearbeitet. Hinzu kommen 2115 Beratungsgespräche, die bei Informationsveranstaltungen, Messebesuchen oder Vorträgen zustande gekommen sind. Für das laufende Jahr liegen noch keine Zahlen vor. Klar ist allerdings, dass die Beratungsstelle auch in 2023 bislang alle Hände voll zu tun hat. „Wir haben wieder sehr viele Anfragen, auch die Termine bei unserem Energieberater sind momentan ausgebucht“, sagt Schöer.